Gehörschutz

Rechtsgrundlagen

Seit 24. Dezember 1992 sind die durch Gesetzesdekret vom 4. Dezember 1992, Nr. 475 in nationales Recht umgesetzten Vorschriften der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen (89/686/EWG) in Kraft. Nach den neuen Bestimmungen dürfen persönliche Schutzausrüstungen (PSA) nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen nach Anhang II der Richtlinie (89/686/EWG) entsprechen und nach einer Baumusterprüfung mit dem EG-Konformitätszeichen versehen sind. Das EG-Konformitätszeichen besteht aus den Buchstaben CE ("Communautes Europeennes" - Europäische Gemeinschaften) und den beiden letzten Ziffern des Jahres, an dem das Zeichen angebracht wurde z. B. CE 94.

Das CE-Zeichen muss entweder am Produkt selbst oder in Sonderfällen auf der kleinsten Verpackungseinheit dauerhaft und deutlich sichtbar angebracht sein. Die Verwendung von PSA ist auch durch die EWG-Richtlinie 89/656 geregelt, welche mit dem Gesetzesdekret vom 19. September 1994, Nr. 626 aufgenommen wurde. Die Anforderungen der EWG-Richtlinie 86/188 "Über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Lärm am Arbeitsplatz" sind bereits in nationales Recht umgesetzt worden.

Die Unfallverhütungsvorschriften verpflichten den Unternehmer zunächst, den Schallpegel in Arbeitsräumen so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist. Das Gesetzesdekret vom 15. August 1991, Nr. 277 "Übernahme der Richtlinien Nr. 80/1107/EWG, Nr. 82/605/EWG, Nr. 83/477/EWG, Nr. 86/188/EWG und Nr. 88/642/EWG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung aus chemischen, physikalischen und biologischen Einwirkungen bei der Arbeit" sieht für verschiedene Beurteilungspegel folgende Verpflichtungen vor:

< 80 dB (A):

  • keine Gefährdung

> 80 dB (A):

  • Durchführung der Gefährdungsermittlungen;
  • Abfassung und Bereitstellung des Registers der Lärmexposition;
  • Unterrichtung der Arbeitnehmer über die Gefährdungen durch Lärmexposition, über die getroffenen Maßnahmen und durchgeführten Eingriffe und über die Maßnahmen, denen sie sich anzupassen haben.

> 85 dB (A):

  • Erteilung angemessener Informationen an die Arbeitnehmer über die sachgemäße Verwendung der persönlichen Gehörschutzmittel und über den korrekten Einsatz von Maschinen, Geräten und Einrichtungen;
  • Anpassung geeigneter Gehörschutzmittel an den Arbeitnehmern;
  • Unterziehung der Arbeitnehmer ärztlichen Untersuchungen, und zwar;
  • präventiver Untersuchung und wiederkehrenden Untersuchungen;
  • Aufbewahrung des Gesundheitsund Gefährdungsberichtes.

> 90 dB (A):

  • Mitteilung der angewandten oder anzuwendenden technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verminderung der Lärmgefährdungen an die Gesundheitsbehörde und an die Arbeitnehmer;
  • Kennzeichnung der Bereiche, wo eine Lärmexposition von mehr als 90 dB (A) besteht;
  • Anordnung und Forderung der Verwendung von persönlichen Gehörschutzmitteln;
  • Unterziehung der Arbeitnehmer präventiven und wiederkehrenden ärztlichen Untersuchungen;
  • Abfassung und Ergänzung des Registers der dem Lärm ausgesetzten Arbeitnehmer und Mitteilung der individuellen Angaben an die interessierten Arbeitnehmer.

Diese Forderungen gelten vor allem für neu einzurichtende Betriebe. Es muss damit gerechnet werden, dass bei bestehenden Betrieben und auch bei einigen speziellen Arbeitsverfahren in neuen Betrieben die Lärmeinwirkung bei vertretbarem Aufwand mit den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten nicht immer auf ganz unschädliche Werte gesenkt werden kann.

Grundsätzlich ist primär der Schutz gegen Lärm durch Maßnahmen im Betrieb durchzuführen.

Persönlicher Schallschutz ist als Gehörschutz einzusetzen, soweit eine genügende Verminderung der Lärmeinwirkung durch betriebliche Maßnahmen nicht erreicht wird.

Vor der Auswahl von Gehörschützern hat der Unternehmer eine Gefährdungsermittlung durchzuführen. Eine Gefährdung liegt vor, wenn der Beurteilungspegel 85 dB (A) erreicht oder überschreitet oder der Höchstwert des nicht bewerteten Schallpegels 140 dB erreicht oder überschreitet (siehe DIN EN 458).

Der Unternehmer hat den Arbeitnehmern, die im Lärmbereich*) beschäftigt werden, geeignete Gehörschutzmittel zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch, wenn die Arbeitnehmer außerhalb von Lärmbereichen beschäftigt werden, aber der personenbezogene Beurteilungspegel 85 dB (A) erreichen oder überschreiten kann.

Regeln der Technik
DIN EN 352 Teil 1 u. 2 Gehörschützer, Sicherheitstechnische Anforderungen, Prüfungen
Teil 3 Entwurf
Teil 4 in Vorbereitung
DIN EN 457 Sicherheit von Maschinen; Akustische Gefahrensignale, Allgemeine Anforderungen, Gestaltung und Prüfung
DIN E 458 Gehörschützer; Empfehlungen für die Auswahl, Einsatz, Pflege und Instandhaltung
ISO 4869 Teil 1 Akustik Gehörschützer, Subjektive Methode zur Messung der Schalldämmung
ZH1/705 (Sicherheitsregeln der deutschen Berufsgenossenschaften) Regeln für den Einsatz von Gehörschützern

Persönliche Schallschutzmittel- Gehörschützer, Auswahl

Als Gehörschützer werden nach DIN EN 352 Teil 1 u. 2, Gehörschutzstöpsel und Kapselgehörschützer unterschieden. Besondere persönliche Schallschutzmittel sind Gehörschützhelme und Schallschutzanzüge. Jedem Gehörschützer muss nach DIN EN 352 eine Information über funktionsgerechte Benutzung, die hygienisch einwandfreie Reinigung oder Desinfizierung und die technischen Daten, wie Schalldämmung, Größenangaben, beiliegen. Außerdem sind Gehörschützer nach DIN EN 352 wie folgt zu kennzeichnen:

  • Hersteller oder Handelsmarke
  • Modellbezeichnung
  • Nummern der Norm
  • EG Konformitätszeichen

Gehörschutzstöpsel (DIN EN 352 Teil 2)

Im Gehörgang oder in der Ohrmulde getragene Gehörschützer sind Gehörschutzstöpsel. Es gibt fertig geformte und vor Gebrauch zu formende Stöpsel. Otoplastiken sind speziell angepasste oder im Ohr polymerisierende Kunststoffplastiken. Gehörschutzstöpsel müssen ohne Hilfsmittel aus dem Gehörgang entfernbar sein.

Fertig geformte Gehörschtzstöpsel

Bei Schallpegeln bis zu 105 dB (A) werden fertig geformte Gehörschutzstöpsel in Abhängigkeit vom Stöpseltyp und ihrem geprüften Schalldämmvermögen empfohlen. Fertig geformte Gehörschutzstöpsel können unmittelbar in den Gehörgang eingesetzt werden. Sie dürfen einschließlich Griff und Lasche nicht länger als 35 mm sein. Sie können mit einem Bügel paarweise verbunden sein. Für die unterschiedlichen Gehörgangsweiten werden Stöpsel entweder in mehreren Größen oder mit wachsendem Durchmesser mehrerer quer gestellter, kreisförmiger Lamellen (tannenbaumförmig) angeboten.

Bohrungen in Gehörschutzstöpseln bewirken bei geringerer Schalldämmung tiefer Frequenzen bessere Sprachverständigung und einen Luftdruckausgleich im Gehörgang.

Fertig geformte Gehörschutzstöpsel dienen meist zum mehrmaligen Gebrauch. Sie können während der Arbeit öfters ein- und ausgesetzt werden. Deshalb muss zur Aufbewahrung eine Verpackung mitgeliefert werden. Die Stöpsel sollen einfache geometrische Formen haben und sich mit geringem Aufwand hygienisch reinigen lassen. Große Unterschiede in den Gehörgangsformen und -querschnitten können Druckempfindungen im Ohr verursachen. Gegebenenfalls ist anderer Gehörschutz zu erproben.

Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel

Diese Gehörschutzstöpsel müssen gebrauchsfertig portioniert sein.

Gehörschutzwatte aus feinen Glasfasern ist bei Schallpegeln bis zu 100 dB (A) einsetzbar. Sie wird entweder bei der Entnahme von Automaten portioniert oder ist in Packungen als portionierte Pfropfen mit und ohne Umhüllung aus einer dünnen perforierten Folie enthalten. Durch die Folienumhüllung bleiben keine Fasern im Gehörgang zurück. Die Watte erlaubt einen Druckausgleich im Gehörgang. Das Fremdkörpergefühl beim Tragen von Gehörschutzwatte ist gering.

Baumwollwatte ist nur brauchbar, wenn sie mit knetbarem Wachs oder Vaseline durchsetzt ist. Verbandwatte ist als Gehörschutz nicht geeignet.

Gehörschutzstöpsel aus polymerem Schaumstoff sind bei Schallpegeln bis zu etwa 105 dB (A) einsetzbar. Sie werden zunächst von Hand zu einer dünnen Rolle zusammengedrückt und schließen den Gehörgang durch Selbstausdehnung nach dem Einsetzen gut ab. Dies bewirkt durch gleichmäßige Auflage im Gehörgang ein relativ geringes Druckgefühl. Gehörschutzstöpsel aus polymerem Schaumstoff dienen sowohl zum mehrfachen als auch einmaligen Gebrauch.

Otoplastiken

Gehörschutz-Otoplastiken werden individuell nach der Ohrmulde und dem Gehörgang des Trägers geformt und schließen den Gehörgang, ohne einen Druck auf seine Wandungen auszuüben. Ihre Schalldämmung ist relativ gering.

Kapselgehörschützer (DIN EN 352 Teil 1)

Bei Schallpegeln bis zu 115 dB (A) werden je nach dem vom Hersteller angegebenen, frequenzabhängigen Schalldämmvermögen Kapselgehörschützer empfohlen. Auch bei Schallpegeln oberhalb 115 dB (A) können Kapselgehörschützer mit hoher Schalldämmung, gegebenenfalls zusammen mit Gehörschutzstöpseln, verwendet werden, sofern keine Schallschutzhelme und -anzüge in Betracht kommen. Diese Gehörschützer umschließen mit je einer Kapsel jeweils eine Ohrmuschel. Sie werden mit Hilfe von Bügeln getragen oder können an Industrieschutzhelmen befestigt werden. Universalbügel nach DIN EN 352 Teil 4 können wahlweise über dem Kopf, im Nacken oder unter dem Kinn getragen werden. Nacken- oder Kinnbügel erlauben gleichzeitiges Tragen eines Schutzhelmes. Bei dieser Tragweise verrutschen die Gehörschützer aber leicht. In solchen Fällen ist das Anklemmen der Kapseln am Schutzhelm vorzuziehen. Kapseln mit entsprechenden Befestigungsvorrichtungen werden im Handel angeboten.

Der Abschluss der Kapseln am Kopf geschieht durch einen Dichtungsring. Er besteht aus einer Kunststoffhaut, die mit Schaumstoff, Flüssigkeit oder Luft gefüllt ist. Dichtungsringe mit Flüssigkeits- oder Luftfüllung bewirken eine gleichmäßige Druckverteilung, werden aber leicht undicht. Bei Schaumstoff-Füllung machen kleine Beschädigungen der Dichtungsringe den Gehörschutz nicht wirkungslos. Die Dichungselemente müssen austauschbar sein.

Zur Anpassung des Kapselgehörschützers an die verschiedenen Kopfformen müssen die Bügelhöhe bis zur Kapselmitte zwischen 125 und 142 mm verstellbar und die Kapseln in zwei Ebenen beweglich sein. Die Andrückkraft darf nach DIN EN 352 Teil 1 nicht größer als 15 N sein.

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Bei Kapselgehörschützern ist die Schalldämmung bei hohen Frequenzen wirksamer als bei Gehörschutzstöpseln. Daher ist die Sprachverständlichkeit im allgemeinen gut. Sie bieten außerdem den Vorteil, dass kein Fremdkörper in den Gehörgang eingeführt wird. Sie können leicht auf- und abgesetzt werden, was bei wechselnder Lärmeinwirkung praktisch ist. Unterschiedliche Größen sind nicht erforderlich, da die Anpassung durch die Beweglichkeit des Bügels und der Kapseln erfolgt.

Kapselgehörschützer erlauben den Einbau von Kommunikationseinrichtungen. Zusammen mit einem Kehlkopfmikrophon ist auch bei hohem Lärm eine Verständigung möglich.

Nachteilig ist starkes Schwitzen unter den Kapseln bei hoher Umgebungstemperatur. Bei staubiger Arbeit kann sich zwischen den Dichtungskissen und der Haut eine Schmutzschicht bilden, die zu Hautreizungen führen kann. Jeder unter Lärmeinwirkung Beschäftigte sollte aus hygienischen Gründen seinen eigenen Gehörschützer besitzen. Dies fordert auch die Bereitwilligkeit zum Tragen des Gehörschutzes.

Schallschutzhelme

Ausser den Ohrmuscheln werden durch Schallschutzhelme noch wesentliche Teile des Kopfes geschützt. Die Übertragung des Luftschalls über den Schädelknochen zum Innenohr soll vermindert werden. Messungen an Schallschutzhelmen ergaben bei Frequenzen unterhalb 2 kHz geringere Schalldämmungen als bei den besten Gehörschutzstöpseln oder Kapselgehörschützern. Die Anwendung von Schallschutzhelmen ist nur bei sehr hohen Schallpegeln in Kombination mit Gehörschutzstöpseln zu empfehlen.

Schallschutzanzüge

Schallpegel über 130 dB (A) erfordern einen zusätzlichen Schutz des Körpers durch Schallschutzanzüge, da durch direkte Schalleinwirkungen auf innere Organe Übelkeit,

Erbrechen, Gleichgeweichtsstörungen und andere Beschwerden entstehen können. In solchen Fällen werden ausser den Gehörschützern Schallschutzanzüge, beispielsweise als Leder-Kombinationen, getragen.

* Lärmbereiche sind Bereiche, in denen Lärm auftritt, bei dem der ortsbezogene Beurteilungspegel 85 dB (A) oder den Höchstwert des nicht bewerteten Schalldruckpegels 140 erreicht oder überschreitet. Bei einer Lärmexposition über 90 dB (A) sind die Lärmbereiche angemessen zu kennzeichnen.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Landesamtes für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik