Heben und Tragen von Lasten

Heben und Tragen von Lasten

Rechtliche Grundlagen

Die Richtlinie der Europäischen Union Nr. 90/269/EWG ist durch die Bestimmungen des Abschnitts VI des Einheitstextes zum Arbeitsschutz (gesetzesvertretende Dekret vom 9. April 2008, Nr. 81) übernommen worden, die die manuelle Handhabung von Lasten, welche unter anderem eine Gefährdung der Lendenwirbelsäule mit sich bringt, behandeln. Die manuelle Handhabung einer Last kann insbesondere eine bedeutende Gefährdung der Lendenwirbelsäule darstellen, wenn die Last zu groß ist (laut technische Normen wie z B. ISO 11228 - Teil 1, 2 und 3). Die Bestimmungen schreiben vor, dass der Arbeitgeber die manuelle Handhabung mit organisatorischen Maßnahmen und geeigneten Mitteln einschränkt. Falls sich dies nicht vermeiden lässt, gestaltet der Arbeitgeber den Arbeitsplatz so, dass die Handhabung möglichst sicher und mit möglichst geringer Gesundheitsgefährdung erfolgt.

Er berücksichtigt außerdem die individuellen Gefährdungsfaktoren der Arbeitnehmer und sorgt dafür, dass sie der ärztlichen Überwachung bzw. Vorsorge- und wiederkehrenden Untersuchungen unterzogen werden.

Mechanisierung des Lastentransports

Der Lastentransport soll zur Vermeidung von körperlichen Schäden durch Einsatz von Hubstaplern, Tansportwagen, Förderbändern, pneumatischen Förderanlagen, Flaschenzügen, Hängebahnen, Kränen, Hebebühnen und anderen Transporthilfsmitteln soweit als möglich mechanisiert werden.

Körperliche Belastungen

Körperliche Belastungen

Beim Lastentransport von Hand muss meist die ganze Körpermasse mitbewegt und durch Anspannen der Muskulatur die aufrechte Haltung gewährleistet werden. Transportarbeiten sind nicht nur beim Fortbewegen großer Lasten schwere Arbeiten. Auch bei kleineren Lasten ist die Masse der bewegten Körperteile meist groß, besonders wenn Lasten gehoben oder über Treppen und Leitern getragen werden müssen.

Hebetätigkeit kann oft als kaum beachtete Nebenarbeit auftreten, beispielsweise wenn das Arbeitsgut vom Boden auf Tischhöhe gehoben werden muss. Eine solche Nebenarbeit kann eine große, zusätzliche Belastung bedeuten.

Hohe Belastung bzw. Schwerarbeit ist ein relativer Begriff, weil die individuelle Leistungsfähigkeit sehr verschieden ist. Eine Arbeit, die von einem jungen, kräftigen Mann leicht bewältigt wird, kann für einen Mann in schwacher Verfassung, für einen älteren Mann, besonders aber für eine Frau oder für einen Jugendlichen eine schwere, nicht zumutbare Belastung bedeuten.

Transportarbeiten führen in der Regel auch zu starker statischer Belastung zahlreicher Muskeln, vor allem in den Armen und am Rumpf. Bei statischer Muskelarbeit, d.h. bei Haltearbeit, werden durch den Druck des angespannten Muskels der Blutstrom und damit die Sauerstoff- und Energiezufuhr gedrosselt. Der Abtransport der Stoffwechselprodukte wird erschwert. Die Ermüdung tritt rasch ein. Die statische Haltearbeit stellt deshalb für den Menschen eine besonders ungünstige Form der Arbeitsbelastung dar und ist viel anstrengender als Arbeitsbewegungen. Die mögliche Arbeitsleistung wird daher häufig durch die Leistungsgrenze der Muskeln eingeschränkt, die Haltearbeit zu verrichten haben, vor allem der Rückenmuskulatur. Dagegen wird dynamische Arbeit vielfach von der Armmuskulatur bewältigt.

Bau Funktion und Schäden der Wirbelsäule

Bau Funktion und Schäden der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule setzt sich aus 24 knöchernen Wirbelkörpern zusammen, zwischen denen knorpelige, halbelastische Bandscheiben liegen, die der Wirbelsäule große Beweglichkeit und Elastizität geben. Ein zentraler, gallertartiger, elastischer Kern, der von einem derben, mehrschichtigen Faserring umgeben ist, dämpft die Wirkung von Stößen. Er gleicht auftretende Druck- und Zugbeanspruchungen aus. Die knöchernen Wirbel und knorpeligen Bandscheiben sind unter Einschluß der Wirbelgelenke durch zahlreiche, kräftige Muskeln und sehnenartige Bänder zu einer Funktionseinheit, dem Bewegungssegment, zusammengefasst.

Die Wirbelsäule des Menschen ist für aufrechte Haltung geschaffen. Sie ist für das Lastenheben mit stark vorgeneigtem Oberkörper nur begrenzt geeignet, weil die Krafthebelarme – die Dornfortsätze – nur sehr kurz sind (Abb.). Beim Beugen des Rumpfes erfolgt die Biegung häufig im unteren Teil der Wirbelsäule, dem Lendenabschnitt. Das Gewicht des vorgebeugten Oberkörpers verursacht den Lendenbandscheiben schon erhebliche Spannungen. 95% aller Bandscheibenschäden entfallen daher auf die drei untersten Lendenbandscheiben.

Durch Übung können nur die Muskeln der Wirbelsäule gestärkt werden. Die Anpassungsfähigkeit der knorpeligen Bandscheiben ist relativ gering. Bei ungünstigen Beanspruchungen, wie beim Lastenheben, können die in ihrer Elastizität und Festigkeit reduzierten Bandscheiben reißen. Der Gallertkern kann dabei gegen das Rückenmark oder gegen seitlich austretende Nerven gequetscht werden (Abb.). Unmittelbare Folgen sind Kreuzschmerzen. Bandscheibenleiden können entstehen

Technik des Lastenhebens

Technik des Lastenhebens

Geübte Gewichtheber und Schwertransportarbeiter heben mit starken Bein- und Gesäßmuskeln bei steil aufgerichtetem, gestrecktem Oberkörper aus der Hocke. Sie gehen mit leicht gespreizten Beinen in eine ausbalancierte Hockstellung, die Last nahe am Körper. Vor dem Anheben wird der Rücken gerade gestellt. Die Wirbelsäule befindet sich in statische günstiger, gestreckter Haltung. Das Neigen und Aufrichten des Oberkörpers erfolgt durch Spannen der Gesäßmuskeln in den Hüftgelenken. Die Wirbelsäule ist durch Anspannen der Rücken- und Bauchmuskeln allseitig abgesteift (Abb. A). Beim Heben werden zuerst die Beine gestreckt (B), anschließend wird der Oberkörper aufgerichtet (C).

Die Bandscheibenbelastung ist beim Heben mit geradem Rücken wegen der günstigeren Hebelarmverhältnisse 20 % geringer als beim Heben mit gekrümmtem Rücken (Abb.).

Technik des Lastenhebens

Die wichtigsten Regeln für das Anheben von Lasten:

  • Ausgangsstellung: mit gespreizten Beinen und gestrecktem, geradem Rücken in der Hocke die Last aufnehmen.
  • Vor dem Anheben der Last prüfen, ob sie frei annehmbar ist.
  • Eine Last nie ruckartig anheben oder auffangen.
  • Gefährliche Hohlkreuzhaltung vermeiden (Abb. H).
  • Gefährliches Verdrehen der Wirbelsäule beim Heben und Bewegen der Last vermeiden (Abb. V).
  • Unhandliche oder größere Lasten nur mit Hilfe anderer Personen aufnehmen.

Absetzen oder Abwerfen von Lasten

  • Die Last gleichmäßig absetzen.
  • Keinesfalls eine Last kurz vor dem Aufsetzen plötzlich abfangen.
  • Die Last – wie beim Aufnehmen – mit gestrecktem Rücken in der Höcker absetzen.
  • Zum Vermeiden von Fingerquetschungen Absetzunterlagen unter die Last legen.

Tragen von Lasten

Tragen von Lasten

Die Muskelarbeit zur Aufrechterhaltung des belasteten Körpers und die Belastung der Bandscheiben sind bei gleicher Last umso geringer, je mehr der Körper gestreckt ist. In aufrechter Haltung kann der Mensch günstig angeordnete Lasten ohne Schädigung über relativ lange Strecken tragen. Verglichen mit dem Tragen mittels eines Tragjoches benötigt das Tragen mit seitlich herabhängenden Armen eine Mehrenergie von 10% das Tragen auf dem Rücken 20%, auf der Hütte 40% und vor dem Bauch rd. 70% mehr Energie. Der ungleiche Energiebedarf ist durch verschiedene Lage des Schwerpunktes der Last und unterschiedliche statische Haltearbeit bedingt. Die Belastung der Wirbelsäule ist am geringsten, wenn der Schwerpunkt der Last möglichst nahe an der Achse der Wirbelsäule liegt.

Die wichtigsten Regeln für das Tragen von Lasten:

  • Aufrechte Haltung beim Tragen.
  • Symmetrische Körperbelastung (Abb. S).
  • Abstützen der Last mit dem Skelett.
  • Herannehmen der Last an den Körper – keine gespreizten oder angewinkelten Arme.
  • Die Last nicht vor dem Körper, sondern auf den Schultern oder auf dem Rücken tragen.
  • Zeitliche Begrenzung des Haltens der Last – mehrmals zwischenabsetzen.
  • Freie Sicht auf den Transportweg – Last nicht vor dem Gesicht tragen!

Sind für große oder sperrige Lasten mehrere Träger erforderlich, ist zusätzlich auf die gegenseitige Abstimmung der Arbeiten der verschiedenen Träger zu achten:

  • Beim Transport einer Last durch mehrere Träger muss ein Träger Leitung und Kommando übernehmen.
  • Die Last ist auf Kommando gleichzeitig anzuheben oder abzusetzen.
  • Alle Träger sollen sich ihrer Körpergröße entsprechend ordnen.
  • Wenn die Last abgeworfen werden soll, müssen alle Träger die Last auf derselben Schulter tragen.
  • Es sind soviel Träger einzusetzen, dass bei Ausfall eines Trägers die übrigen nicht erheblich überlastet werden.
  • Die Träger dürfen sich nicht gegenseitig behindern.

Begrenzung der Lasten

Begrenzung der Lasten

Lasten beim Handtransport müssen beschränkt werden. Hierbei ist die persönliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

Die Abmessungen und Massen von Traglasten sind unter Berücksichtigung folgender, wesentlicher Einflussfaktoren festzulegen:

  • Lebensalter Hubhöhe
  • Geschlecht Hubzeit
  • körperliche Verfassung Transportweg
  • statische oder dynamische Belastung Häufigkeit

Hilfsmittel und Vorsorgemaßnahmen

Hilfsmittel und Vorsorgemaßnahmen

Für unhandliche Traglasten sollen Hilfsmittel – Traggestelle, Traggurte, Haken – und persönliche Schutzausrüstungen – Schulterpolster, Handschuhe, Handleder – zur Verfügung gestellt und benutzt werden (Abb.).

Weitere persönliche Schutzausrüstungen ergänzen die Sicherheit beim Transport:

  • Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen,
  • Schutzbrillen, Schutzkleidung und erforderlichenfalls Atemschutz beim Transport oder Abfüllen von Behältern mit gefährlichen Flüssigkeiten oder Stäuben.

Glasbehälter mit Säuren oder Laugen sollten in Eimern transportiert werden.

Wege, Rampen und Stufen, über die Lasten bewegt werden, müssen trittsicher und ohne Hindernisse sein, erforderlichenfalls müssen sie gut beleuchtet sein. Rutschsicherheit ist durch raue Böden oder im Winter durch Streuen zu gewährleisten.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Landesamtes für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik.