Weißkugelhütte - Langtaufers, Graun im Vinschgau

Weißkugelhütte, Langtaufers, Graun im Vinschgau

Kurzpräsentation der Wettbewerbsaufgabe

Eine Schutzhütte ist ein festes Haus oder eine Hütte in ansonsten unbebautem Gebiet, die zum Schutz vor Unwetter sowie als Übernachtungsmöglichkeit und als Stützpunkt dient. Sie wird hauptsächlich für Wanderer und Bergsteiger errichtet.
Die Weißkugelhütte ist eine bewirtschaftete Schutzhütte mit derzeitig 48 Schlafplätzen aufgeteilt auf mehrere Lager. Sie liegt auf 2.544 m Meereshöhe im hintersten Langtauferertal, unweit von der Grenze zwischen Nord- und Südtirol.
Die Hütte wurde 1892-93 von der Sektion Frankfurt am Main des DÖAV erbaut. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Hütte der CAI-Sektion Desio zugeteilt, die sie nach ihrem prominentesten Mitglied „Papst Pius XI.“ benennt. 1936 wird ein Zubau erstellt, die Hütte erhält damit ihr heutiges Aussehen. Sie ist Ausgangspunkt für Hochtouren in die Dreitausenderregion der Ötztaler Alpen.
Der Zustieg ist nicht befahrbar. Derzeit werden die Waren alle 14 Tage bzw. nach Bedarf mit der bestehenden Materialseilbahn transportiert.
Die Schutzhütte befindet sich in einem allgemein schlechten Bauzustand; sei es die Statik wie auch die Anlagen und die Ausführungen machen es notwendig, das Gebäude abzubrechen und neu zu errichten.

Auslober und Verfahren

Auslober
Autonome Provinz Bozen, Südtirol
Abteilung 11 - Hochbau und technischer Dienst
Silvius-Magnago-Platz 10
39100 Bozen

Verfahren
Der Wettbewerb wurde als nicht offener, einstufiger Planungswettbewerb durchgeführt.
Es wurden 8 Teilnehmer geladen. Allein die Qualität des Wettbewerbsentwurfes ist maßgeblich für die Auswahl des Wettbewerbssiegers.

Entschädigung der Wettbewerbsbeiträge

Es wurde eine Vergütung für jeden Teilnehmer ausbezahlt, sofern ein bewertbares Projekt abgegeben wurde, zu je 2.500 Euro.

Ablauf, Eckdaten und Ergebnis des Wettbewerbs

Termine
Auslobung: 24.11.2011
Abgabe Pläne: 09.04.2012
Preisgerichtssitzungen: 09.05.2012
Teilnehmerzahl: 8

1° Preis
Höller & Klotzner Architekten: Thomas Höller, Georg Klotzner
Mitarbeit: Gianfranco Berardesca, Sigrid Fischer-Colbrie, Veronika Pöhl

2° Preis
Stephan Marx, Elke Ladurner
Mitarbeit: Christoph Arnold, Verena Viertler

3° Preis
Werner Tscholl
Mitarbeit: Manuel Gschnell

4° Preis
Luigi Scolari
Mitarbeit: Thomas Abraham, Umberto Bonagura, Ivan Bonora, Kathrin Dorigo
Beratung: CasaClima - Luca Pofi

5° Preis
Walter Karl Dietl
Mitarbeit: Patrik Fössinger, Julian Gstrein, Thomas Hickmann, Dominique Spath
Beratung: Ingenieurteam Bergmeister GmbH

6° Preis
S.O.F.A. architekten: Kurt Rauch, Andreas Grasser, Reinhard Muxel
Mitarbeit: Emanuel Tornquist
Beratung: Fleischmannn und Janser

7° Preis
Markus Scherer
Mitarbeit: Barbara Breda
Beratung: Energytech - Georg Felderer

8° Preis
Arnold Gapp und Christoph Gapp
Mitarbeit: Giulia Arduini
Beratung: EPLAN - Martin Hofer, Thermostudio - Thomas Spitaler

Auflistung Jurymitglieder

  • Dr. Arch. Josef March, Ressortdirektor für Energie, Umwelt, Bauten und Vermögen
  • Dr. Arch. Jörg Streli, Innsbruck
  • Dr. Arch. Alberto Winterle, Vertreter Architektenkammer
  • Dr. Ing. Bruno Marth, Vertreter Ingenieurkammer
  • Dr. Heinrich Noggler, Bürgermeister und Vertreter der Standortgemeinde
  • Dr. Georg Simeoni, Vertreter des AVS
  • Dr. Ing. Claudio Sartori, Vertreter des CAI

Präsentation des Siegerprojektes

Der überarbeitete Entwurf der Architekten Höller-Klotzner besticht durch seinen gut gelösten Umgang mit der umgebenden Topographie. Er nutzt gekonnt das bestehende Areal und fügt sich in das Gelände. Das Gebäude wurde leicht nach hinten verschoben, wodurch der nötige Aushub deutlich reduziert wird. Der Stubenbereich wurde erweitert und gewährt nun einen umfassenden Ausblick in die Umgebung. Die vorgesehene Nutzung der Hügelkuppe südwestlich des Gebäudes für den Terrassenbereich wird von der Jury als gelungene Lösung beurteilt. Die Verlegung des Bereiches Pächter-Personal in das Tiefparterre wird von der Jury gut geheißen und schafft somit eine räumliche Trennung der öffentlichen und privaten Bereiche. Der Bereich Personal fällt jedoch kleiner als im Raumprogramm vorgegeben aus und sollte nochmals überdacht werden. Der Zugang zu den Lagerräumlichkeiten erfolgt im überarbeiteten Entwurf von der Südseite; diese sind somit optimal von der Materialseilbahn belieferbar. Eine entsprechende Belichtung des Winterlagers, welches nun im Obergeschoss seinen Platz findet, sollte vorgesehen werden; wobei anzumerken ist, dass eine Lösung mit Dachfenster keinesfalls in Frage kommt. Insgesamt überzeugt der Baukörper durch seine kompakte Form und seine einheitliche schöne Fassadengestaltung in Titanzink. Den Architekten ist es gelungen, auf die Anregungen der Jury gekonnt einzugehen.

Technischer Bericht

Am Wegesrand hinauf zur Weisskugelhütte kann man immer wieder grosse, markante Steine beobachten. Sie treten immer wieder als Solitäre auf, an Geländekanten weit auskragend, sehr oft aber auch ruhig liegend in gepflegten Wiesen oder an kargen Steilhängen. Teilweise eingegraben, scheinen sie dort aus dem Boden herauszuwachsen und sich den widrigen äußeren Bedingungen entgegenzusetzen.

Inspiriert von diesen Steinen wurde für die Weisskugelhütte ein sehr einfacher, kompakter Baukörper entworfen der ganz bewusst nicht die natürlichen Hügelkuppen besetzt. Er gräbt sich teilweise in den bestehenden Hügel ein bzw. stemmt sich südseitig, über die Böschungskante hinaus, dem steil abfallenden Gelände entgegen. Kleine Zimmerfenster und schmale Fensterschlitze in den Fassaden erwecken das Gefühl der Geborgenheit und bringen die Schutzfunktion einer Berghütte zum Ausdruck. Gemeinsam mit der bestehenden Kapelle und dem nordseitigen Berghang wird ein räumlicher Platz geschaffen, an dem sich alle Fußwege kreuzen und sich die Eingänge zur Kapelle und zur Schutzhütte befinden. Der sich nach vorne leicht neigende neue Baukörper und eine tiefe Gebäudenische bieten einen schützenden Unterstand vor dem Hütteneingang. Ein schmaler Glasschlitz in der Tür bietet dem Besucher bereits einen ersten Blick ins Gebäude und auf die Sonnenterrasse an der windgeschützten Südseite der Schutzhütte. Unmittelbar neben dem Hütteneingang liegt der Zugang zum Winterlager, in dem eine kleine Kochgelegenheit und auf drei Ebenen jeweils 4 Stockbetten untergebracht sind.

Die Erdgeschosszone ist in einen warmen und in einen kalten Bereich gegliedert. Der gesamte Baukörper im Kaltbereich mit den Lager- und Technikräumen wird unter dem nördlichen Hügel eingegraben und erhält von der Nordwestseite her einen Eingang für die Zulieferung bzw. die Entsorgung. Die niveaugleiche Unterbringung der Arbeits- und der Lagerräume ermöglicht eine sehr wirtschaftliche Betriebsführung mit wenig Personal und geringem Kraftaufwand. Im Warmbereich befinden sich die beiden Stuben, die Theke mit Speiseausgabe, die Küche und mehrere Nebenräume. Ein Holzofen in der Hauptstube erzeugt neben der Wärme auch eine behagliche Stimmung im Haus. Ein langgestrecktes Fensterband bietet von beiden Stuben aus einen grandiosen Panoramablick zum Langtauferer Ferner und zur markanten Bergkette um die Weisskugelspitze. Der Hauptstube wird an der Südseite eine Terrasse vorgelagert, die vom Thekenbereich bzw. von der Küche aus optimal bewirtschaftet werden kann.

Die Vertikalerschließung erfolgt über eine offene Holztreppe, deren geradlinigen Treppenläufe in jedem Geschoss in einem erweiterten Flur münden. Schmale, ganz bewusst gesetzte Fensterschlitze geben hier den Blick frei auf die umliegende Bergwelt. Direkt neben dem Treppenausstieg befinden sich die Waschräume mit WC´s. Die Schlafkojen sind auf beide Obergeschoße verteilt. Im 1. Obergeschoß ermöglicht eine Fenstertür am Ende des Flures die Flucht direkt ins Freie. Abgeschirmt vom Gästebereich sind im 2. Obergeschoß die Räume für den Pächter.

Getragen wird die neue Schutzhütte von einer massiven Fundamentplatte, in der die Mauersteine der alten Hütte als Füllelemente mit einbetoniert werden. Je nach Beschaffenheit der Gründungsebene werden die Lasten zusätzlich durch Pfahlgründungen oder Bodennägel bis auf felsigem Boden abgeleitet; somit wird der Transport von Fundamentbeton auf ein Minimum reduziert und mögliche Frostschäden verhindert. Da die Fundamentplatte zum Erdreich hin mit 20 cm verdichteten Schaumglasschotter gedämmt wird, kann diese als Wärmespeicher genutzt werden. Der Kaltbereich wird mittels Betonhalbfertigteilen errichtet, isoliert und leicht gedämmt. Der gesamte Rest des dreigeschossigen Gebäudes wird aus Vollholz vorgefertigt, die Wände in Ständerbauweise und die Decken bzw. das Dach mit Flächenelementen aus Holzstegen mit beidseitigen Bretterlagen. Die geringe Spannweite der Decken- und Dachelemente ermöglicht eine sehr kostengünstige statische Grundstruktur. Wärmegedämmt werden die Fassaden mit Zelluloseflocken, die mittels Gebläse hohlraumfüllend zwischen den Stehern eingebracht und verdichtet werden, sowie mit 4cm starken, flächendeckend aufgebrachten Holzfaserplatten. Im Dachbereich wird der Hohlraum zwischen den Deckenträgern mit Zelluloseflocken gefüllt und mit einer 16cm dicken Holzfaserplatte überdämmt. Das gesamte Gebäude wird mit OSB-Platten wind- und luftdicht, aber diffusionsoffen abgeschlossen.
Die sichtbaren Außenwände werden mit einer hinterlüfteten Fassade versehen, deren Trägerschicht aus OSB-Holzwerkstoffelementen gefertigt und mit schuppenartigen Titanzinkplatten verkleidet sind. Die Zinkoberflächen erhalten mit der Zeit eine Patina, deren Farbe dem Paragneis-Gestein der umliegenden Berge sehr ähnelt. Eine Bemoosung oder Flechtenbildung entlang der Plattenfugen wird angestrebt.
Wand- und Deckenflächen im Warmbereich der Schutzhütte sind aus Mehrschichtplatten mit einer gewachsten Deckschicht aus Weißtanne vorgesehen. Lediglich die Bodenflächen und der Treppenaufgang werden mit geöltem Lärchenholz ausgeführt. In den Nassbereichen und in der Küche werden die Boden- und Wandflächen mit dünnen Zementfaserplatten verkleidet und mit einer Kunstharzbeschichtung versiegelt.

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