Freiwilliger Schwangerschaftsabbruch

Beim freiwilligen Schwangerschaftsabbruch kommen zwei Rechtsansprüche zum Tragen, die sich gegenseitig widersprechen können:

  • die Gesundheit der Frau und
  • der Schutz des Zeugungsproduktes.

Rechtliche Grundlagen, Grenzen und ethische Überlegungen

Das italienische Gesetz sieht einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen vor. Damit brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass in bestimmten Fällen zwei Rechtsansprüche im Widerstreit stehen, folglich ist der gleichzeitige Schutz beider unmöglich.
Das Problem einer Entscheidung zwischen dem Schutz zweier Rechtsansprüche, die beide einen hohen ethischen Stellenwert besitzen, bleibt ungelöst.

Die beiden Ausdrücke „freiwilliger Schwangerschaftsabbruch" und „Abortus" werden oft als Synonyme verwendet. In Wirklichkeit jedoch handelt es sich bei dem Abortus um den Abgang eines nicht lebensfähigen Fötus; dieser kann spontan erfolgen, also aufgrund irgendwelcher Störungen im Bereich der Mutter oder des Zeugungsproduktes selbst; der Abgang kann aber auch aus den verschiedensten Beweggründen und auf verschiedene Art bewusst erzwungen werden.
Das Problem des freiwilligen Schwangerschaftsabbruches besteht seit Menschen Gedenken. Darüber wurden auch seit jeher ethische Diskussionen geführt, auf dem Hintergrund des allgemein anerkannten Prinzips, dass eine Tötung menschlichen Lebens unzulässig sei.
In jüngerer Zeit und vor allem in der modernen Gesellschaft fand die Auseinandersetzung mit verschiedenen kulturellen Ansätzen und unter verschiedenen Blickwinkeln statt. Dies führte in der Folge dazu, dass in zahlreichen Ländern mit Gesetz festgelegt wurde, unter welchen Bedingungen und Umständen ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf.

Die Gesetzeslage

Folgende Prinzipien liegen im Allgemeinen den gesetzlichen Bestimmungen zugrunde:

  • Verminderung/Vorbeugung der illegalen Schwangerschaftsabbrüche sowie der Kindsmorde und Aussetzungen von Kindern.
    Das Problem des illegalen Schwangerschaftsabbruches ist vielschichtig: man bedenke bloß, dass dieser auch in Ländern, wo eine Abtreibung gesetzlich zulässig ist, immer noch praktiziert wird. Zu vielschichtig sind die Hintergründe, die überlieferten gesellschaftlichen Zwänge, bürokratische Hindernisse, der Wunsch nach Diskretion usw.
  • Die Achtung und die Aufwertung der Autonomie der Person.
    Dieses ethische Prinzip gründet auf der Würde des Menschen als solchem und schließt das Recht jedes Einzelnen auf eine freie und autonome Entscheidung über gesundheitliche Maßnahmen an seiner Person mit ein. Auf der Basis dieses Prinzips wird der Frau die Möglichkeit gewährt, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, die ihre körperliche oder seelische Gesundheit gefährden könnte.

In Italien wird der freiwillige Schwangerschaftsabbruch durch das Gesetz Nr. 194 vom 22.Mai 1978 „Bestimmungen über den Schutz der Mutterschaft und über den freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft" geregelt.
Diese Gesetz betont vor allem das Recht auf eine bewusste Fortpflanzung und die Aufwertung der Mutterschaft; gleichzeitig werden die Situationen und Umstände festgelegt, unter denen die Frau den Abbruch der Schwangerschaft in dazu ermächtigen Strukturen des Gesundheitsdienstes vornehmen lassen kann.
Der Eingriff muss jedoch immer zum Schutz der Gesundheit der Schwangeren vorgenommen werden; das Recht auf Gesundheit überwiegt laut Gesetzgeber in bestimmten Fällen gegenüber dem Recht auf das Leben des Embryos. Letzterem wird somit effektiv ein geringerer Stellenwert zugeschrieben, jedenfalls so lange, bis er nicht einen Reifegrad erreicht hat, ab dem er zu einem selbständigen Leben fähig ist. Ist dieser Zustand erreicht, erfolgt die Abwägung der beiden Werte in Bezug auf das Leben der Frau, nicht mehr nur auf ihre Gesundheit.

Der freiwillige Schwangerschaftsabbruch als ethisches Problem

Der Kern des Problems liegt in der Frage nach der Natur des Embryos, ob das Produkt der Zeugung ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung des männlichen und weiblichen Zellkerns als Person gilt, oder, weiter gefasst, als Anlage zum menschlichen Wesen, als Projekt zum Menschen, zur Persönlichkeit und zur Individualität.
Dieser Frage kommt eine grundlegende Bedeutung zu, hängt doch von der jeweiligen Antwort die Entscheidung über die Zulässigkeit der Tötung des Embryos ab.
Auch das Nationale Ethikkomitee konnte in seinem Dokument vom 22. Juni 1996 „Identität und Status des menschlichen Embryos" nicht zu einer einheitlichen Stellungnahme finden. Diese heikle und entscheidende Frage nach der Anerkennung des Zeugungsproduktes als Person von Anfang an wurde offengelassen.

Die wichtigsten ethischen Positionen

Zusammengefasst lassen sich drei vorherrschende ethische Positionen festhalten:

  • Jene Position, welche aufgrund der Anerkennung der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick an die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches ausschließt , abgesehen von jenen Fällen, wo es um den Schutz eines gleichbedeutenden Wertes geht (konkret, nur wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, also der sogenannte therapeutische Schwangerschaftsabbruch);
  • Jene Position, welche dem Zeugungsprodukt zwar den Wert menschlichen Lebens, jedoch nicht den Status einer Person zuordnet, Status, der erst mit der Geburt erfolgt. Daraus folgt die Möglichkeit, in erster Linie die Gesundheit und das Wohlergehen (d.h. die Lebensqualität) der Frau zu schützen und daher den Abbruch der Schwangerschaft vorzunehmen, und zwar unter bestimmten Bedingungen, je nach Reifegrad des Embryos und Risiko für die Frau;
  • Jene Position, welche sich auf die Fähigkeit einer moralisch gewichteten Entscheidung der Hauptbetroffenen, der schwangeren Frau beruft. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist es verständlich, dass in bestimmten Fällen eine Frau sich nicht in der Lage sieht, eine Schwangerschaft zu Ende zu führen und daher die ihr zur Verfügung stehenden gesetzlichen Möglichkeiten des Abbruchs in Anspruch nimmt, wohl wissend und im Bewusstsein des ethischen Konflikts, der sich aus der Tötung menschlichen Lebens ergibt.

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