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Zur Restaurierung des Chinesischen Pavillons im Baumgarten der Fürstbischöflichen Hofburg in Brixen.

Festliche Stimmung im Brixner Hofgarten

“O BEATA SOLITUDO  Ó SOLA BEATITUDO”

(O gesegnete Einsamkeit, o einzige Glückseligkeit) (Seneca)

Historische Gärten gehören wie Bau- und Kunstwerke zum kulturellen Erbe Südtirols. Die Gärten der Fürstbischöflichen Hofburg in Brixen sind neben jenen des Stiftes Neustift von europäischer Bedeutung.

Zeitgleich mit dem Umzug des Brixner Bischofs Bruno von Kirchberg vom alten Bischofspalast neben dem Dom in die befestigte Burg an der Südwestecke der Stadt wird 1265 erstmals ein Baumgarten (Pomarium) erwähnt. Er befand sich außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer südlich der Hofburg, gehörte zur Grundausstattung des bischöflichen Haushaltes und versorgte diesen mit dem Luxusgut Obst. Mit Sicherheit war er wie jeder Nutzgarten von einem Zaun oder einer Mauer umgeben, damit geschützt und abgegrenzt.

Weltliches und geistliches Repräsentationsbedürfnis bewog die Fürstbischöfe im 16. Jahrhundert zum Ausbau der Hofburg zur Renaissanceresidenz nach dem Vorbild italienischer Fürstenhöfe. Zu einer solchen Anlage gehörten neben den Wohn- und Gesellschaftsräumen nicht nur ein repräsentativer Mittelhof mit Loggiengängen und ein Theater, sondern auch ausgedehnte Gärten. Höfische Zier- und Lustgärten standen in nicht zu trennendem funktionalen und ästhetischen Zusammenhang mit den Küchen- und Baumgärten für die Versorgung mit Obst, Gemüse und Kräutern. Der nach dem Vorbild italienischer Residenzgärten gestaltete Lust- und Ziergarten (Herrengarten) mit zentralem Brunnen, beheizbarer Orangerie für die Überwinterung der nicht winterharten Zitronen- und Pomeranzenbäume, Vogelhaus, Fischkalter, Sommerhaus und Hirschställen wurde um 1570 an der Nordseite der Hofburg angelegt.

Der seit dem Mittelalter bestehende Baumgarten im Süden der Burg ist nach dem Umbau der Hofburg in der Renaissance im Aquarell von M. Burgklechner (um 1590) erstmals dargestellt. Ummauert und mit jeweils einem doppelgeschossigen Eckturm mit Kegeldach im Südosten und im Südwesten, zeigt er bereits das heutige Ausmaß von ca. drei Hektar baumbestandener Streuobstwiese. Die Gartenflächen weisen eine regelmäßige Bepflanzung mit hochstämmigen großkronigen Obstbäumen auf. Wie sich am Stich von M. Merian von 1649 sowie an einer Folge von historischen Ansichten und am erhaltenen Bestand nachweisen lässt, zeigt die Gartenanlage eine einzigartige Kontinuität vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurden eine heute noch vorhandene umlaufende Weinlaube und an der Nordmauer ein nicht mehr erhaltenes Gewächshaus größeren Ausmaßes errichtet. Es diente als Treibhaus für Frühobst und für die Überwinterung kälteempfindlicher, exotischer Fruchtbäume in Töpfen. Nur geistliche und weltliche Residenzen, reichere Stifte und Klöster konnten sich die Unterhaltung von beheizbaren Gewächshäusern und Orangerien leisten. In den Gärten des Chorherrenstifts Neustift, des Stiftes Muri Gries, des heutigen Palais Toggenburg in Bozen und des Palais Sternbach in Bruneck sind solche nachweisbar.

Die zweigeschossigen turmförmigen Pavillons im Südost- und im Südwesteck des Gartens gehen auf den Umbau der Hofburg zur Renaissanceresidenz im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zurück, wurden jedoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die heutige Form gebracht. Laut Hofkammerrechnungen waren sie schon im 16. Jahrhundert mit Malereien ausgestattet. Sie dienten dem sommerlichen Aufenthalt der Mitglieder und Gäste des Bischöflichen Hofes als Orte der Unterhaltung, Erholung und des Rückzugs abseits vom Arbeits- und Repräsentationsalltags. Damit erhielt der Baumgarten über seine Nutzfunktion hinaus auch eine repräsentative, festliche und beschauliche Funktion. Die Mitglieder des Hofes und ihre Besucher hielten sich nicht nur im Ziergarten, sondern auch im fruchtbringenden Baumgarten auf, der sowohl durch seine Größe und Sortenvielfalt als auch durch die Gartenarchitekturen beeindruckt haben dürfte. An Fürstenhöfen war das Sammeln, Veredeln und Tauschen von Obstbäumen eine vornehme, gelehrte Beschäftigung. Die guten klimatischen Verhältnisse und die günstige Lage an einer wichtigen Handelsroute zwischen Nord und Süd lassen für Brixen auf eine reiche Sortenvielfalt schließen.

Ihre heutige Baugestalt mit Pagoden- und Kuppeldach, die dekorativen Malereien im Inneren sowie die Bezeichnungen Chinesischer und Japanischer Turm erhielten die Pavillons unter Fürstbischof Lodron im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Zeitgleich zur Ausstattung des Chinesischen Kabinetts in der Hofburg mit gemalten Tapeten von Franz Altmutter im Stile der Chinoiserien zog die in Europa längst verbreitete Chinamode sowie das neue Interesse für Japan auch in die Gärten der Brixner Hofburg ein und stand für die Sehnsucht nach fernöstlichen „heilen Welten“. Räume mit Chinoiserie-Dekorationen fanden als Folge der intensiveren Kontakte mit dem Fernen Osten, von Frankreich ausgehend, bereits im 17. Jahrhundert in Schlössern, Landsitzen, Gartenpalais und zunehmend auch in adeligen und bürgerlichen Stadthäusern Eingang und blieben bis ins späte 19. Jahrhundert in Mode. In Bozen hat sich im Stadtpalais der Menz ein Zimmer mit Chinoiserien aus der Zeit um 1784 erhalten, in Brixen die Ausstattung eines Turmzimmers im Stadthaus Scheuchegg.

Das Innere des bereits vor Jahren vom Denkmalamt restaurierten Japanischen Turms im Südosteck des Gartens ist im Mittelgeschoß mit Grünmalereien und im Obergeschoß mit Architekturmalereien ausgestattet. Lediglich die rot lackierten Säulen stellen einen Bezug zu Japan her.

Der zweigeschossige Chinesische Turm mit doppeltem Pagodendach, steinerner Freitreppe mit erhöhter Terrasse, von der der Blick über die Stadt Brixen und ihre Umgebung reicht, zitiert im äußeren Erscheinungsbild chinesische Formen, nicht jedoch in der Ausstattung des Innenraumes. Die Dekorationsmalereien mit antikisierenden Architekturelementen, Blumenvasen, Blütengehängen, nur noch fragmentarisch erhaltenen Landschaften in den Feldern über den Fenstern und einem geröteten Abendhimmel mit fliegenden Vögeln folgen der europäischen Tradition. Spätklassizistische Raumausmalungen und nicht Chinoiserien standen hier Vorbild. Das anlässlich der Restaurierung entdeckte und freigelegte Zitat aus Senecas Briefen an Lucilius „O BEATA SOLITUDO; Ó SOLA BEATITUDO“ (O gesegnete Einsamkeit, o einzige Glückseligkeit“) nimmt Bezug auf die Funktion des Pavillons als Ort des Rückzugs und der Erholung. Ob Fürstbischof Lodron auch um die Tradition, nach einem bestandenen Examen eine Pagode zu bauen, um das Glück an diesem Ort zu erhalten, wusste, ist uns nicht bekannt.

Der über Jahre verwahrloste Pavillon wurde nach der Übernahme des Baumgartens durch die Stadtgemeinde Brixen in Zusammenarbeit mit dem Amt für Bau- und Kunstdenkmäler/Abteilung Denkmalpflege der Autonomen Provinz Bozen Südtirol restauriert. Die im Sommer 2011 begonnenen Arbeiten sahen die Neueindeckung des Daches mit handgespaltenen Lärchenschindeln durch die Firma Kaiser & Wolf aus Toblach und die Restaurierung der Fassaden, der Freitreppe, der Terrasse und der Dekorationsmalereien im Inneren, des Bodens und der Fenster durch die Restaurierungsfirma Gebrüder Zingerle aus Percha vor. Besondere Aufmerksamkeit erforderten die technisch fragilen und teilweise nur noch fragmentarisch erhaltenen Dekorationsmalereien. Nach der Reinigung und Festigung wurden Fehlstellen im dekorativen Bereich ergänzt oder retuschiert, sodass der ursprüngliche Raumeindruck wieder gegeben ist.

Die Kosten von 25.000,00 € für die Neueindeckung trug die Stadtgemeinde Brixen, jene für die Restaurierung der Fassaden und des Innenraumes von 127.000,00 € das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler der Abteilung Denkmalpflege.

Die Restaurierung ist als Auftakt für die geplante denkmalgerechte Restaurierung und Wiederherstellung des gesamten historischen Baumgartens und seine öffentliche Zugänglichkeit zu werten. Der Chinesische Pavillon gehört mit dem Japanischen Turm, einem Gartenhaus und einem Pavillon an der Nordseite des Baumgartens zur architektonischen Ausstattung der fürstbischöflichen Gärten und damit zu den seltenen Raritäten historischer Gartengebäude im Lande.

Dr. Waltraud Kofler Engl, Direktorin des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Armando Diaz Str. 8, 30100 Bozen, tel.0471 411910, e-mail: waltraud.kofler@provinz.bz.it

Fotos der Ausstellungseröffnung finden Sie unter

http://www.provinz.bz.it/denkmalpflege/themen/laufende-restaurierungsarbeiten.asp

 

hsc