Archivale des Monats

August 2011: Die Baumwollspinnerei Sankt Anton bei Bozen

1848 gründeten zwei Bozner und ein Vorarlberger Unternehmer die „k. u. k. privilegierte Baumwollspinnerei Kofler, Herrmann & Co.“, den ersten größeren Industriebetrieb Südtirols. Da Maschinen im 19. Jahrhundert vornehmlich mit Wasserkraft angetrieben wurden, fiel die Wahl des Standortes auf die Ortschaft St. Anton, etwas nördlich von Bozen und direkt an der Talfer gelegen. Vom Standort übernahm die Anlage auch ihren inoffiziellen Namen „Baumwollspinnerei St. Anton“.
Die Wassernutzungsrechte der Spinnerei waren ausführlich geregelt. Beispielsweise verpflichtete die Stadt Bozen die Fabrikseigentümer, für eine ausreichende Wasserführung des Mühlbaches zu sorgen, an dessen Ableitung von der Talfer die Fabrik errichtet wurde und der eine der wichtigsten Betriebswasseradern Bozens darstellte.

Der vorliegende Plan von 1875 für den Bau eines neuen Zuflusskanales zeigt, wie wichtig der Rohstoff  Wasser für das Unternehmen war.
Ein weiteres interessantes Detail auf dem Plan sind die Arbeiterwohnungen, die bereits wenige Jahre nach Eröffnung der Fabrik gebaut wurden und somit die ersten in Südtirol waren. Der Betrieb bot in seinen Spinnerei- und Webereigebäuden Platz für 100–200 Arbeiter.
Da in Nordtirol und Vorarlberg der Konkurrenzdruck groß war, wurde für die Bozner Spinnerei der norditalienische Raum ein wichtiger Absatzmarkt und der Handel florierte. Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1890 wurde die Fabrik wieder aufgebaut. Eine Elektroanlage mit Wasserturbine brachte die Spinnerei auf den neusten technischen Stand – damit war sie der Konkurrenz einen großen Schritt voraus.
1922 erfolgte die Umbenennung in „Cotonificio di Bolzano, Società a garanzia limitata”. Auch unter italienischer Regierung arbeitete das Unternehmen erfolgreich weiter, bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein. Doch in den sechziger Jahren stagnierte der Absatz, die Produktion in Bozen wurde unrentabel. 1979 musste die Produktion gänzlich eingestellt werden, die Fabriksgebäude wurden abgerissen. An ihrem Platz stehen heute mehrere Wohnhäuser.

Evi Pechlaner

GS