Archivale des Monats

Jänner 2013: Marksteinsetzung und Vermittlung zwischen den Gemeinden Nals, Prissian, Grissian, Gargazon und Vilpian 1775

Gemeindearchiv Gargazon

Gemeindearchiv Gargazon

Bis ins späte 19. Jahrhundert war die Etsch ein großteils unverbauter Fluss, der ständig seinen Lauf änderte und sich mit zahlreichen mäandrierenden Nebenarmen durch das Etschtal schlängelte. Wegen der regelmäßig wiederkehrenden Hochwasserkatastrophen waren die Gemeinden entlang des Flusses schwer verschuldet, denn es oblag jeder einzelnen Gemeinde für ihren Flussabschnitt Dämme zu errichten, um das Hinterland zu schützen. Da der Staat sich lange Zeit weigerte, das kostspielige Projekt einer umfassenden Etschsicherung anzunehmen, versuchte jede Gemeinde durch die Errichtung von Archen (Uferschutzbauten aus Holz und Steinen), das Flusswasser von den eigenen Höfen und Häusern fernzuhalten und auf die gegenüberliegende Flussseite abzulenken, sodass die dortigen Dörfer vom Wasser überflutet wurden. Die Folge dieser rücksichtslosen Vorgehensweise waren jahrzehntelange Streitigkeiten zwischen Niederlana, Gargazon, Nals, Prissian, Grissian, Vilpian und Burgstall. Wiederholt gab es Grenzverletzungen zwischen den Gemeinden, sodass bereits 1759 etliche Marksteine durch einen Schlichtungskommissär errichtet wurden. Da jedoch Gargazon und Burgstall in den folgenden Jahren weitere Archen errichteten, die den Fluss auf die linke Talseite umleiteten, kam es dort in den wasserreichen Jahren 1773 und 1775 zu schweren Überschwemmungen und auch wirklich zur Bildung eines neuen Etscharmes. Im vorliegenden Dokument aus dem Gemeindearchiv von Gargazon wird die Zusammenkunft von Vertretern der Gemeinden Nals, Prissian, Grissian, Vilpian und Gargazon festgehalten, die am 19. Juni 1775 die verschiedenen Marksteine aufsuchen, um den Verlauf der Gemeindegrenzen festzulegen und endlich die Zwistigkeiten zwischen den Parteien zu beenden. Wortreich wird eine friedliche Einigung aller Parteien heraufbeschworen. Doch auch dieses Mal bestanden die Vereinbarung nur auf dem Papier - der Streit um die Archen sollte noch etliche Jahre weiter schwelen.

Das historische Gemeindearchiv von Gargazon, das aus einigen wenigen Stücken besteht, wurde bereits vor 1909 im Tiroler Landesarchiv hinterlegt. Auf Grund der Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain wurden die Dokumente 1920 an das neu gegründete Staatsarchiv von Bozen abgegeben und gelangten nach Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatutes an das Südtiroler Landesarchiv.

Evi Pechlaner

KC

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