Archivale des Monats

Aus den frühen Jahren der Südtiroler Hochschülerschaft

Archiv der Südtiroler Hochschülerschaft (SH/ASUS), Nr. 143

Archiv der Südtiroler Hochschülerschaft (SH/ASUS), Nr. 143

Am 15. April 1955 trat im Gasthof „Sargant“ in der Bozner Bindergasse eine Gruppe Studenten zusammen, um eine Vereinigung zu gründen, die die Interessen der im In- und Ausland studierenden Südtiroler – damals etwa 300 – vertreten sollte: die Südtiroler Hochschülerschaft. Ihr geistiger Vater war Hochwürden Josef Ferrari, der erste Leiter des nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Schulamtes für die deutsche Schule in Südtirol, dem unter anderem der akute Mangel an akademisch ausgebildeten Lehrpersonen an deutschen Schulen Sorgen bereitete. Bereits am 12. September 1955 fand die erste Vollversammlung der kurz SH genannten Vereinigung mit 63 anwesenden Mitgliedern statt, das erste Bürolokal befand sich unter den Bozner Lauben.
Die neue Studentenvereinigung wollte die an verschiedenen Universitäten Südtiroler Studierenden untereinander besser vernetzen, sie organisatorisch und wirtschaftlich unterstützen, im Vordergrund stand aber das Thema der Anerkennung von im Ausland erworbenen Studientiteln. Das bis 1949 in Kraft gebliebene faschistische Hochschulgesetz hatte Staatsbürgern nichtitalienischer Nationalität der neuen Provinzen das Studium im Ausland und die Anerkennung ausländischer Titel verwehrt. Dies führte etwa dazu, dass angehende Lehrpersonen der deutschsprachigen Sekundarschulen ein italienisches Hochschulstudium absolvieren mussten, was aus Südtiroler Sicht überaus unbefriedigend war.
Erst im Juli 1954 ratifizierte das italienische Abgeordnetenhaus das italienisch-österreichische Kulturabkommen vom 14. März 1952, jedoch wurde von italienischer Seite nur die Anerkennung von Abschlüssen in naturwissenschaftlichen Fächer angeboten, während von Südtiroler Seite mit Nachdruck die Anerkennung geisteswissenschaftlicher Abschlüsse gefordert wurde. Hier kam nun die neu gegründete Südtiroler Hochschülerschaft ins Spiel, die durch eine von ihr eingebrachte Resolution den Abbruch der Verhandlungen verhinderte. Die von österreichischer Seite vorgeschlagene Anerkennung der von italienischer Seite vorgeschlagenen Studientitel konnte zum Abschluss gebracht werden, weitere Verhandlungen wurden in Aussicht gestellt. Am 4. September 1956 wurde schließlich auch ein Übereinkommen zur Anerkennung zahlreicher Studientitel geisteswissenschaftlicher Fächer unterzeichnet.
Auch die Beratung von Maturanten und Studienanfängern, die auch heute noch ein zentrales Tätigkeitsfeld darstellt, war von Anfang an eine wichtige Aufgabe der SH. Von diesbezüglichem Engagement zeugt ein Rundschreiben der Vereinsleitung von 1962, in dem von den Zweigstellen Informationen über die verschiedenen Studiengänge und Unterkunftsmöglichkeiten in den Universitätsstädten angefordert werden, um eine möglichst detaillierte Informationsbroschüre für Maturanten erstellen zu können.
Neben der Interessenvertretung und beratenden Aufgaben organisierte die SH auch jährliche Studientagungen zu aktuellen Themen und gab ab 1956 ein eigenes Periodikum („Der fahrende Skolast“) heraus.

Auch wenn viele der einst zentralen Aufgaben der Südtiroler Hochschülerschaft mittlerweile von Ämtern der Landesverwaltung übernommen wurden, etwa vom Amt für Hochschulfürsorge oder von der Universität Bozen, sieht sich die SH nach wie vor als die Interessenvertretung der Südtiroler Studierenden. Ihr Archiv, das Zeugnis über eine mehr als 50jährige, teils sehr bewegte Geschichte gibt und gleichzeitig auch die Geschichte Südtirols widerspiegelt, konnte das Südtiroler Landesarchiv 2002 als Depositum übernehmen.

ep

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