Archivale des Monats

September 1919 – Neue Becherwerksgurte für die Bergverwaltung Klausen

Akten der Bergbaubehörde, Nr. 6_1

Am 9. September 1918, also gut einen Monat vor dem Ende des Ersten Weltkrieges, bestellte die Bergverwaltung Klausen bei den Ostrau-Witkowitzer Eisen- und Drahtwarenfabriken Mücke & Melder, einer bedeutenden mährischen Industrianlage, drei Stück Bechergurte. Diese Gurte, die für den Materialtransport in Bergwerken dienten, wurden von der Fabrik speziell für die Bergwerke des Klausener Reviers angefertigt. Der Bergbau im Eisacktal kann auf eine jahrhundertelange Tradition des Erzabbaues zurückblicken. In der Frühen Neuzeit war das vom Berggericht Klausen zu verwaltende Gebiet sehr groß und umfasste das gesamte untere Eisacktal mit Seitentälern, also auch die Abbaugebiete in den Bergen des Sarntales, bei Terlan und Nals, bei Altenburg im Überetsch, bei Deutschnofen aber auch Gruben im Gadertal und in Buchenstein. Da das Tinnetal bei Klausen die Grenze zwischen dem Hochstift Brixen und der Grafschaft Tirol kam es mehrmals zu Auseinandersetzungen zwischen dem Landesfürsten und den Brixner Bischöfen, die jeweils durch den Abschluss von Verträgen beigelegt wurden. Im 18. Jahrhundert übernahm der Staat bzw. das Montanaerar die Gruben im Klausner Revier, und richtete in Klausen eine Bergverwaltung ein, die sich um die Erzgewinnung kümmerte, und dem Revierbergamt in Hall und der Berghauptmannschaft Klagenfurt unterstand. Die Bergverwaltung Klausen umfasste 1919 noch den Bergbau am Schneeberg (Rabenstein in Passeier), die Erzaufbereitungsanlage Maiern (Ridnaun), den Schurfbau in Pflersch und den Bergbau am Pfunderer Berg (Villanders/Latzfons). Während es in der Habsburgermonarchie völlig normal gewesen war, Materialien und Maschinen bei Fabriken aus allen Teilen des Landes zu bestellen, war dies nach dem Zerfall der Monarchie in mehrere Nachfolgestaaten mit großen Schwierigkeiten verbunden. Als im Juli 1919 die im Jahr zuvor bestellten Becherwerkgurte immer noch nicht angekommen waren, hatte die Bergverwaltung Klausen die Lieferung stornieren wollen und die Wiener Transportfirma kontaktiert. In einem weiteren Brief vom 11. September 1919 teilte sie der nunmehr auf tschechoslowakischem Staatsgebiet liegenden Firma mit, dass sie die Gurte weder brauchen noch bezahlen könne, da die Bergwerke sich in besetztem Gebiet befänden und nunmehr an das Königreich Italien übergehen würden – gerade einen Tag zuvor hatte Östterreich den Vertrag von St. Germain unterzeichnet, wodurch Südtirol endgültig zu einem Teil Italiens geworden war. Davon ließ sich die Witkowitzer Eisen- und Drahtwarenfabrik aber nicht beeindrucken, verwies lediglich auf eine schleppende Lieferung infolge einer Verkehrssperre und pochte auf Begleichung der Rechnung bzw. Annahme der Waren, da diese speziell für die Bergverwaltung Klausen angefertigt worden wären und diese sicherlich auch nach einer Übernahme durch den italienischen Staat Verwendung finden würden. Ob die neuen Gurte schlussendlich von der Bergverwaltung Klausen bezahlt wurden, lässt sich wegen fehlender Unterlagen nicht eruieren, doch die Reorganisation der Bergverwaltung durch das Königreich Italien folgte wenige Jahre später: 1923 wurde in Trient das staatliche Bergrevieramt ("distretto minerario") als Behörde des Landwirtschaftsministeriums mit Zuständigkeit für die gesamte "Venezia Tridentina“ errichtet, doch schon 1948 übernahm die Region Trentino-Südtirol die Verwaltung der Bergbauangelegenheiten und mit Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatutes 1972 ging die entsprechende Kompetenz schließlich auf die Autonome Provinz Bozen über.

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