Archivale des Monats

Weihnachten 1919 – Weihnachtsfanfaren am Bozner Pfarrturm

Sammlung Guido Fontanesi, Nr. 906

Am 14. Dezember 1919 wurde in den „Bozner Nachrichten“ ein besonderes Weihnachtserlebnis angekündigt: „Wie wir hören, soll am hl. Abend vom Pfarrturme das ewig-schöne Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ von Mitgliedern der Bürgerkapelle zu Gehör gebracht werden. […] Wenn am Christabend die Posaunen und Hörner vom Bozner Pfarrturme ihr Weihnachtslied in die schneebedeckte Gegend hinauserklingen lassen, so werden diese Töne wohl in jedes Menschen Herz ein freudiges Echo wachrufen. [...]“ Der Turm der Bozner Pfarrkirche, ein filigranes Meisterwerk der Gotik, war seit seiner Fertigstellung 1519 ein Wahrzeichen der Stadt geworden. Für die Bürger der Stadt, die sich in Kriegszeiten, bei Seuchen oder Hungersnöten in der Pfarrkirche zum Gebet zusammenfanden, war er wohl auch ein Symbol der Beständigkeit und Hoffnung. Im Jahr 1919 wurde das 400jährige Bestehen des Kirchturms gefeiert, und so manch einer der zahlreichen Zuhörer, die laut „Bozner Nachrichten“ vom 28. Dezember, am Heiligabend 1919 den Weihnachtsliedern am Bozner Pfarrturm lauschten, mag den Pfarrturm, der auch die Veränderungen der Jahre 1918/19 unerschütterlich überdauert hatte, dabei als ein beruhigendes Sinnbild für Kontinuität empfunden haben. Das sich dem Ende zuneigende Jahr 1919 war das erste Jahr des Friedens nach einem mehrjährigen Weltkrieg, und es war kein leichtes gewesen. Vieles hatte sich durch den Übergang Südtirols an Italien geändert, die Zukunft schien manch einem vermutlich ungewiss, was würden die kommenden Jahre und Jahrzehnte bringen? Einhundert Jahre später wissen wir, dass Südtirol mit Faschismus, Option, Zweitem Weltkrieg und dem Kampf um die Anerkennung als Minderheit noch etliche turbulente Jahrzehnte bevorstanden. Mittlerweile – im heurigen Jahr 2019 - hat der Turm seinen 500. Geburtstag gefeiert: Er hat auch den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs, der das Kirchenschiff der Pfarrkirche fast vollständig zerstörte, wie durch ein Wunder überlebt und reckt sich nach wie vor in den Himmel, ein Symbol der Beständigkeit in einer sich stetig verändernden Welt.

ep

PT

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