Archivale des Monats

Eine Gesellschaft zur Enthaltung des Zutrinkens – Ein Fastenvorsatz aus der Mitte des 16. Jahrhunderts

Archiv Churburg, Rote Ablage Nr. 987

Am zweiten Fastensonntag des Jahres 1550 kamen in Bozen beim Hofrecht einige adlige Männer zusammen, um auf Anregung von Jakob Trapp zu Pisein eine Gesellschaft zur Enthaltung des Zutrinkens zu gründen, wobei sie übereinkamen, ein Jahr lang keinen oder kaum Alkohol zu sich zu nehmen. Im ausgehenden Mittelalter war bei geselligen Gelagen der Brauch des sogenannten Zutrinkens aufgekommen, der in einen regelrechten Trinkzwang ausartete. Dabei musste die Person, der von einer anderen Person mit Worten und Gebärden „zugetrunken“ wurde, das Zutrinken in gleicher Weise erwidern, was nicht selten mit einem mehr oder weniger heftigen Rausch endete. So verbreitet dieser Usus im weltlichen und manchmal auch geistlichen Umfeld war, so leidenschaftlich wurde auch davor gewarnt oder dagegen gewettert. Auch im südlichen Tirol, wo vor allem Wein konsumiert wurde, hatte das gesellige Zutrinken um die Mitte des 16. Jahrhunderts augenscheinlich solche Ausmaße angenommen, dass sich einige adelige Männer zusammenfanden, um in Form einer Vereinigung dem Alkohol abzuschwören – zunächst auf ein Jahr. Einleitend wurde in der Gründungsurkunde auf den übermäßigen Weinkonsum hingewiesen, der alle Gesellschaftsschichten, Jung und Alt gleichermaßen betreffe und nicht nur zu Krankheit und vorzeitigem Tod, sondern auch zu Laster, Unehre, Leichtfertigkeit und Schäden an Leib und Gut führe. Um dem Einhalt zu gebieten, wurden Regeln festgelegt, an die sich jedes Mitglied zu halten hatte. Gleich die erste Regel legte fest, dass bei einem geselligen Beisammensein die Unterfertigten das Zutrinken unterlassen und auch kein Zutrinken erwidern sollten; auch sollen die Mitglieder von keiner Frau, Jungfrau oder Mannsperson einen Trunk annehmen. Bei einem Aufenthalt außerhalb der gefürsteten Grafschaft Tirol aber und desgleichen in Gegenwart eines Fürsten, dessen Zutrinken sie erwidern mussten, seien sie vom Gelübde entbunden. Falls die Mitglieder im Lauf des Jahres gegen die Regeln verstießen, indem sie etwa jemandem zutranken oder auch nur zum Zutrinken aufforderten, wurde eine Strafe von 2 Gulden festgesetzt, die ein Kassier einhob und verwahrte. Ausdrücklich wurde festgelegt, dass die Bestraften denjenigen, der die Strafe eintrieb, nicht mit schmach, zorn oder droworten antasthn dürften. Nach Ablauf der Jahresfrist sollte entschieden werden, was mit dem Strafgeld zu geschehen habe, etwa ob es als Almosen an Bedürftige verteilt werden sollte. Die Gesellschaft beschloss ausdrücklich, dass sie weitere Mitglieder aufnehmen und nach Ablauf des Jahres über eine Fortführung beraten wolle. Die Urkunde wurde von einundzwanzig Männern aus regionalen Geschlechtern – Trapp, Brandis, Botsch, Khuen-Belasi usw. – unterzeichnet, darunter auch vom Landeshauptmann Hans Jakob von Völs und zwei Deutschordenskomturen. Es ist nicht bekannt, inwiefern die „Gesellschaft zur Enthaltung des Zutrinkens“ Erfolg hatte, die Unterzeichneten setzten mit diesem offenen Brief jedenfalls ein starkes Zeichen.

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