Archivale des Monats

September 1889 – Das Bozner Walther-Denkmal wird eingeweiht

Familienarchiv Hepperger Nr. 31_01

Ein Festkonzert mit Szenen aus dem Leben Walthers von der Vogelweide eröffnete am Samstag, den 14. September 1889 im großen Bürgersaal in Bozen den Reigen der Feierlichkeiten zur Einweihung des neuen Walther-Denkmals auf dem Johannsplatz (seit 1901 Waltherplatz). Der eigentliche Festakt erfolgte am darauffolgenden Sonntag, wobei nach einem Hochamt und feierlichen Ansprachen ein „Volksconzert“ mit Liedern und Opernauszügen die aus nah und fern angereisten Gäste ergötzte. Etwa 8000 Personen sollen am Fest teilgenommen haben, darunter Erzherzog Heinrich, Gelehrte aus allen Teilen der Monarchie, Sängergruppen aus Tirol und Vorarlberg.

Fünfzehn Jahre zuvor hatte ein nationalliberales Bozner Bürgerkomitee den Entschluss gefasst, dem berühmten Minnesänger Walther von der Vogelweide († um 1230) – dessen Herkunft bis heute nicht geklärt ist, während man um 1870 den Vogelweiderhof im Lajener Ried als seinen Geburtsort ansah – ein Denkmal zu errichten, wofür über Jahre Spenden gesammelt wurden.

Die Ausführung übernahm der aus dem Vinschgau stammende Bildhauer Heinrich Natter, der ein 3,3 Meter hohes Standbild aus weißem Laaser Marmor schuf. Der Minnesänger steht, mit einer Fiedel in der Hand und in – nach den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts – mittelalterliche Gewänder gekleidet, hoch über einem Brunnen, flankiert von zwei Löwen, von denen der eine ursprünglich den Wappenschild Tirols, der andere einen Schild mit dem Reichsadler hielt (später ersetzt durch das Stadtwappen von Bozen und das Wappen Walthers nach der Manessischen Liederhandschrift). Das Denkmal des bedeutendsten deutschsprachigen Minnesängers entstand nicht von ungefähr im späten 19. Jahrhundert, als national gestimmte Kreise auch hier von der Idee eines allgemeinen „Deutschtums“ getragen die Notwendigkeit sahen, im südlichsten deutschsprachigen Landstrich ein sichtbares Zeichen zu setzen – auch aus diesem Grund blickt Walther von der Vogelweide Richtung Süden.

Wohl wegen dieser nationalen Symbolkraft verfügte der faschistische Amtsbürgermeister von Bozen 1935, das Denkmal in den peripheren Roseggerpark zu transferieren, wo es mehrere Jahrzehnte verbleiben sollte. Erst seit November 1981 steht der Minnesänger wieder im Mittelpunkt des zentralen, nach ihm benannten Platzes.

MP

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