Treibhauseffekt in Südtirol

Erschienen in "Das Land Südtirol" 5/1998

Die Kohlendioxydkonzentration in der Atmosphäre nimmt zu. Dies verursacht eine globale Erwärmung und verändert die Verteilung und Menge der Niederschläge mit Auswirkungen auf die Vegetation. Die aktuellen Waldgesellschaften könnten weitgehend verschwinden und durch steppische, weniger effiziente Vegetationgesellschaften ersetzt werden:Für Gebirgsländer wie Südtirol, wo der Wald den Boden vor Erosion schützt und zur Regulierung der Wasserabflüsse beiträgt, bedeutet dies eine besondere Gefahr. Das Land arbeitet daher an verschiedenen Forschungsprojekten der Europäischen Union mit, durch die Klimaveränderungen und Wald in Bezug gebracht werden.

In den vergangenen 200 Jahren ist die Konzentration des Kohlendioxydes (CO2) in der Atmosphäre von 270 ppmv (Millionteilchen Volumen) auf die 353 ppmv angestiegen. Sollte dieser Trend anhalten, so würde sich die mittlere Jahrestemperatur der Erde um einen bis vier Grad Celsius erhöhen, was schwerwiegende Folgen auf das Klima, die Globalzirkulation, die Menge und Verteilung der Niederschläge und auch auf die Vegetation, auf deren Verteilung und Zusammensetzung haben könnte. Besonders schwer würden die Auswirkungen in Gebirgsländern wie Südtirol sein, wo die Vegetationsdecke eine wichtige Funktion zum Schutze des Bodens vor Erosion und bei der Regulierung der Wasserabflüsse ausübt.

Die Reihenfolge:

  1. Umweltbelastung (Kohlendioxyd und andere Treibhausgase)
  2. Erwärmung des Planeten (Global Warming)
  3. Klimaveränderungen
  4. Wasserbilanzstörungen (veränderte Niederschlagsverteilung)
  5. Vegetationsstörungen (Pflanzensterben)
  6. Bodenerosion (Trinkwassermangel, Überflutungen usw.)

könnte nicht nur ein Szenario am Computer sein!

Treibhauseffekt und Klimaänderungen bildeten auch beim Weltgipfel in Kyoto, Ende vergangenen Jahres, den Mittelpunkt der Gespräche. Erörtert wurde unter anderem, ob die Biosphäre (gesamter irdischer Lebensraum der Menschen, Tiere und Pflanzen), der steigenden Kohlendioxydkonzentration in der Atmosphäre entgegenwirken kann. Besprochen wurden Einschränkungen bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Bis zum Jahr 2012 sollendie Emissionen weltweit um 5,2% des Ausstoßes im Jahr 1990 reduziert werden. Die Europäische Union hat sich vorgenommen, bis zu diesem Datum die Emissionen um 8% herabzusetzen.

Diese Einschränkungsmaßnahmen sollen auf einem Kohlenstoffhaushalt gründen. Ob bei der Ermittlung dieses Haushalts auch die in der Vegetation und in den Böden als Biomasse gespeicherten Kohlenstoffmengen mitzuberechnen sei, darüber wurde in Kyoto ebenfalls diskutiert. Jede Nation sollte von der erzeugten Kohlendioxydmenge (durch Verbrennung fossiler Brennstoffe: z. B. KFZ-Verkehr und Heizung) die in der Vegetation gespeicherte Menge abziehen können. Dadurch würde die ökologische Bedeutung des Waldes eine Anerkennung auch aus wirtschaftlicher Sicht erfahren. Der Wald verfügt nämlich über die höchste Speichereffizienz des Kohlenstoffes aller terrestrischen Ökosystemen.

Die Europäische Union hat es sich als unaufschiebbares Ziel gesetzt, festzulegen, wieviel Kohlendioxyd das terrestrische Ökosystem der einzelnen Mitgliedstaaten aufnehmen kann. Die gemeinschaftlichen Normen zur Regelung und Verminderung der in die Atmosphäre emittierten gasförmigen Kohlenstoffgemische werden diesen Werten Rechnung tragen. Zu diesem Zweck werden vier Forschungsvorhaben, die bereits in den vergangenen Jahren initiiert wurden, weiter vorangetrieben.

Die Forschungsprojekte
Projekt Beschreibung
Euroflux das europäische Monitoringnetz zwecks Forschung der Wechselwirkungen zwischen Biosphäre und Atmosphäre in den Wäldern Europas
Medeflu das Mittelmeernetz zur Messung der Kohlenstoffflüsse in den durch menschliche Tätigkeiten gestörten Ökosystemen
Ecocraft Forschungsprogramm über die Folgen der Belastung durch erhöhte Kohlendioxyd-Konzentrationen auf die europäischen Wälder
LTEEF II (1998-2000) das Programm zur Entwicklung von Vorhersagemodellen über das Wachstum der Wälder in Zusammenhang mit waldbaulichen Behandlungen und Klimaeffekten

Durch diese Projekte werden neue Ansätze für die Forschung im alpinen Raum gesetzt. Auch wird den Alpen damit europaweit der Rang einer eigenen Klimaregion anerkannt: Bisher wurden die Alpen von den internationalen Gremien, der EU und der für Europa zuständigen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (United Nations - Economic Commission for Europe: UN-ECE) im Rahmen der Convention on Long-range Transboundary of Air Pollution, als Teil der mitteleuropäischen kontinentalen Region angesehen.

Auch in Südtirol ist das Interesse an diesen Themen ebenso wie das Umweltbewusstsein angesichts der zunehmenden globalen Belastungen in den vergangenen Jahren gewachsen. Der Wald bedeckt 311.000 Hektar der Landesfläche. Das entspricht 42 Prozent. Er prägt somit das Landschaftsbild und trägt wesentlich zur Sicherung des Territoriums als Lebens-, Erholungs-, Natur- und Wirtschaftsraum bei. Dank der Menge an verfügbaren Daten über die Waldbestände Südtirols (Waldbehandlungspläne, Waldkartei usw.), konnte eine statistische Studie über das Kohlendioxyd-Ausgleichsvermögen der Waldökosysteme (Bestand und Boden) durchgeführt werden. Die wichtigsten Daten dieser Untersuchung werden in der nachstehenden Tabelle mit jenen anderer europäischen Ländern verglichen.

Wichtige Daten der Untersuchung
Südtirol (1991)BayernN.R. Westfalen Schweden
Waldfläche 311.000 ha 2.500.000 ha 813.000 ha 23.400.000 ha
Als Biomasse gebundener Kohlenstoff 17 Mio. tC 635 Mio. tC 169 Mio. tC
Jährliche C-Einbindung 0,25 Mio. tC 2,7 Mio. tC 9.0 Mio. tC
Jährlicher C-Ausstoß 0,8 Mio. tC 23 Mio. tC 93.0 Mio. tC 16.0 Mio. tC
Bevölkerung (touristische Aufentdalte inbegriffen) 506.000 17.000.000 8.500.000
Ausstoß Person/Jahr 1,59 5,47 tC
C-Einbindungsrate Waldökosystem 26 % 20 % 3 % 50 %

tC - Tonnen Kohlenstoff

Südtirols Wald weist also mit 26 Prozent Kohlenstoff-Senkeleistung (des in Südtirol ausgestoßten Kohlendioxydes) im Vergleich zu den anderen Ländern und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte eine beachtliche Leistung auf. Chemische Bodenuntersuchungen auf landesweit 240 Probeflächenzufolge ergaben, dass allein in der Streuschicht der Waldböden pro Hektar durchschnittlich 4,5 Tonnen Kohlenstoff gespeichert werden. In höheren Lagen, wo die Streuauflage höher ist, steigt die Zahl auf elf (*).

Weltweit werden im Jahr 7,1 Gigatonnen Kohlenstoff (Giga = Mrd. Tonnen Kohlenstoff) ausgestoßen. Davon gelangen 5,7 in die natürlichen Reservoirs (Atmosphäre, Ozeane, terrestrische Biomassen) (D.S. Schimel, 1995). Über die restlichen 1,4 Gt ist nichts bekannt; es wird angenommen, dass diese zum Großteil in den Waldökosystemen der nördlichen Halbkugel und vor allem in ihren Böden als Biomasse gebunden werden (A. Bemmann, 1995). Die Suche nach dieser „vermissten versunkenen Kohlenstoffmenge" (carbon missing sink) beschäftigt derzeit die Forschung.

Diese Themen wurden anfangs des Jahres auf einer internationalen Tagung in Sexten erörtert, an der über 120 Forscher aus Europa und den Vereinigten Staaten teilnahmen. Dabei wurden die ersten Ergebnisse und Strategien des Eurofluxprojektes sowie die auf EU-Ebene geplante Forschungsvorhaben vorgestellt. Die Tagung wurde von Riccardo Valentini, Dozent und Forscher an der Universität La Tuscia in Viterbo und zugleich Koordinator des Eurofluxprojektes für Europa, initiiert. Ausschlaggebend für die Standortwahl waren die strategisch günstigen geographischen Zentrallage Südtirols sowie die enge Zusammenarbeit zwischen der Universität La Tuscia und der Autonomen Provinz Bozen durch die Abteilung Forstwirtschaft und das Labor für physikalische Chemie in der Landesumweltagentur.

(*) Chemisch-physische Untersuchungen in Waldböden an den Dauerbeobachtungsflächen des Level 1. - 2. - 3. (EU-Mitfinanzierung, Ratsverordnungen 3528/86, 2157/92, 1091/94) - Bericht 1995
P.a. M. Aichner - Amt 33.2 Labor für Agrikulturchemie-Laimburg

Auf Initiative dieser Landesämter wurde 1996 am Rittner Horn-Grünwald, in einem Fichtenbestand auf 1720 Meter Meereshöhe eine Kohlendioxyd-Meßanlage errichtet (Abb.1). Es ist dies die dritte Messstelle Italiens und die einzige im alpinen Bereich, bei welcher Daten für das Eurofluxprojekt gesammelt werden; dies geschieht mit Hilfe eines 40 Meter hohen Mastens. Durch ein Kohlendioxyd- und Wasserdampfmessgerät gemeinsam mit einem Überschallanemometer wird der Gasaustausch von Kohlendioxyd und Wasserdampf zwischen Atmosphäre und Waldökosystem ermittelt. Verfeinerte technische Lösungen gewähren den einwandfreien Betrieb der Anlage auch bei Blitzschlag und tiefen winterlichen Temperaturen.

Durch bestimmte Auswertungssysteme turbolenta (eddy correlation oder eddy covariance) kann auch die physiologische Tätigkeit der Vegetation (Photosynthese, Atmung, Transpiration, Energiefluss usw.) kontinuierlich erfasst werden, die sich aus dem ständigen Austausch zwischen den von der Vegetationsschicht aufgenommenen (trockenen und kalten, aber kohlendioxydreichen) und den von dieser wiederum emittierten (feuchten und warmen, jedoch kohlndioxydarmen) Luftteilchen resultiert.

Fragen an die Forschung

In Zusammenarbeit mit anderen analogen Einrichtungen in anderen europäischen Ländern (Abb.2) sollen im Rahmen der europäischen und weltweiten Forschungstätigkeit Informationen über folgende Fragestellungen gewonnen werden.

  • Charakterisierung der Wasser-, Kohlendioxyd- und Energieflüsse
  • Kohlendioxydaustausch zwischen Waldökosystem und Atmosphäre
  • Nettobilanz: Kohlendioxyd gebunden als Biomasse (Holz, Wurzeln, Streuauflage, Boden)
  • Umtriebszeit (Turnover) innerhalb des Kohlenstoffkreislaufes (Baumbestand, Streuauflage, Humusschicht, Boden, Bodenorganismen, usw.)
  • Mittlere Kohlendioxydkonzentration in der Atmosphäre (Wintermonate)
  • Datenaustausch innerhalb des Europa- und Weltmessnetzes.

Seit Februar 1997 werden kontinuierlich Daten gesammelt und verglichen. Sie deuten erstaunlicherweise auch auf eine geringe photosyntetische Tätigkeit des Fichtenbestandes während Schönwetterperioden auch im Hochwinter hin. Die Graphik in Abb. 3 zeigt eindeutig eine Kohlendioxydabsorption (- 4 Mikromol Kohlendioxyd/Quadratmeter in der Sekunde) während der Mittagsstunden am 14.Februar 1998. Dies bedeutet, dass der Baumbestand (die Bodenvegetation liegt zur Zeit noch unter der Schneedecke) notgedrungen die in sich gespeicherten Wasser- und Nährstoffreserven verbrauchen muss, da der Boden gefroren ist. Somit erklären sich die, vor allem auf stark besonnten Stellen an der Waldgrenze, im Winter vorgekommenen Wasserverlustvorgänge mit darauffolgenden Austrocknungsschäden (Wipfeldürre), wie sie in den 80er Jahren in Südtirol vermehrt zu verzeichnen waren.

E-Mail: Stefano Minerbi

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