1957 aus Trentiner Sicht

Mit Unverständnis und Empörung reagierte die Bevölkerung im Trentino auf das, was in Südtirol vor 50 Jahren geschah.

Die Tageszeitung, die die Stimmungstendenzen im Trentino im November 1957 am besten widerspiegelt, ist der „L’Adige“. Unter der Leitung seines Chefredakteurs Flaminio Piccoli war diese Zeitung das Sprachrohr der christdemokratischen Partei des Trentino, die fast alle Bereiche des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens der Provinz kontrollierte. Die Artikel dieser Zeitung versetzen uns unmittelbar in eine Welt, in der noch ein beinahe Risorgimento-artiger Zeitgeist vorherrscht, der auch im Ton der Gedenkfeiern zum Ersten Weltkrieg, die in den ersten Novembertagen stattgefunden hatten, erkennbar ist. Es fehlt völlig das Bewusstsein, dass der Erste Weltkrieg nicht nur für die deutschsprachige Minderheit in Südtirol – das durch diesen Konflikt gegen den eigenen Willen an das Königreich Italien annektiert worden war – ein heikles Thema darstellte, sondern auch für die Geschichte des Trentino und für tausend Soldaten, die auf der Seite Österreich-Ungarns und nicht auf jener Italiens gekämpft hatten. Die in Trient veröffentlichten Artikel hätten gut in jeder anderen italienischen Stadt geschrieben werden können – so sehr fehlt die Sensibilität für die Geschichte dieser Region, für ihre zerklüftete Vergangenheit, für ihre gespaltenen Erinnerungen und für den Widerspruch zwischen der individuellen Erfahrung und der Geschichte Italiens.

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Die Autorin: Elena Tonezzer, geboren 1975 in Trient, Studium der Soziologie und der Geschichte an der Universität Trient, wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Geschichtsmuseum Trient, Mitarbeit in der Projektgruppe, die mit der Veröffentlichung des Nachlasses von Alcide Degasperi befasst ist.