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Kaffee-Surrogate in Südtirol


.Im Rahmen des Projektes NeProValter konnten auch außerhalb von Altrei einige Gespräche mit älteren Menschen zum Thema Kaffee- Ersatzpflanzen geführt werden. Zusätzlich wurde Literatur auf Hinweise zu Kaffee-Ersatzpflanzen durchgesehen. Auf die Frage, ab wann der Bohnenkaffee in den Küchen Einzug hielt, antwortet Albina Erschbamer (geboren 1923 in Burgstall):“Nach dem Krieg bei den Wohlhabenderen. Ich habe eine Tante gehabt, die war Obsthändlerin, die hat der Großmutter immer Kaffee, Bohnenkaffee gebracht.“ Cäcilie Schwarz, geboren im Jahr 1920 in Villnöss ergänzt, dass während des zweiten Weltkrieges Bohnenkaffee von den in Lettland und Litauen stationierten Soldaten heimgeschickt wurde: “Die Soldaten, die in Lettland und Litauen waren, haben häufig Kaffee nach Hause geschickt, in diesen Ländern hat man leicht Kaffee bekommen. Ich habe ein paar Mal einen Bohnenkaffee bekommen.“
Auch in Südtirol bildeten Gerste, Roggen und Feigen die wichtigsten Ausgangsstoffe für Kaffee-Getränke, deren Zutaten selbst kultiviert werden konnten. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Kaffee-Surrogaten erinnern sich ältere Menschen in Südtirol an folgende Kaffee-Pflanzen: Erdmandeln, Soja und Lupinen. Alle drei Pflanzen sind insoferne sehr interessant, als sie relativ wärmebedürftige Pflanzen sind. Im Vinschgau wird auch von der Verwendung der Birnensorte „Pala-Birne“ als Kaffee-Surrogat berichtet.

.Gersten-Kaffee

Gersten-Kaffee ist der in Südtirol historisch und gegenwärtig am häufigsten anzutreffende Ersatz-Kaffee. Landauf landab erinnern sich ältere Menschen an den “Gerschtkaffee“. Für diese Kaffee-Nutzung der Gerste musste keine eigene Gersten-Sorte angebaut werden, es wurde ein Teil der am Hof angebauten Gerste als Kaffee verwendet. Dazu wurden die ganzen Körner genutzt, die weder entspelzt noch gerendelt werden mussten. Geröstet wurde die Gerste in eigenen Kaffeebratpfannen (Siehe Abbildung), die man direkt in den Holzherd versenken konnte. Diese Pfannen haben innen zwei Flügel, die man mit Hilfe eines Gelenkes und einer Kurbel von außen drehen kann, damit die Gerste umgerührt und gleichmäßig geröstet wird. In vielen Häusern gibt es diese Bratpfannen noch, auch wenn sie mittlerweile am Dachboden gelandet oder als Dekorationsgegenstand in Verwendung sind. Die Erinnerung vielerälterer Menschen an die Kaffee-Bratpfannen ist oft noch sehr lebendig, da das Kaffeereiben vielerorts eine Tätigkeit der Kinder war: So erinnert sich Fritz Erschbamer, geboren 1928 in Vilpian: “Kaffeereiben haben wir als Kinder immer müssen.“ Aus Vintl aus dem Pustertal stammt ein Kugelröster (siehe Abbildung), der offensichtlich im Eigenbau hergestellt wurde. Manche Menschen erinnern sich, dass man die Gerste auch in einem Reindl im Backrohr röstete. Nach dem Rösten wurde die Gerste in den kleinen Kaffeemühlen gemahlen, die ebenso fixer Bestandteil jedes Haushaltes waren. Die Zubereitung des Gersten-Kaffees war meist folgende: Der Kaffee wurde aufgekocht, man ließ ihn zu Boden sinken, und trank ihn mit Milch, und süsste – wenn es diesen gab – mit Zucker oder Sacharin.

.Malz-Kaffee

Von Malzkaffee wurde mir in Vilpian von Albina Erschbamer erzählt: “Malz ist billig gewesen, damals, das sind große Schachteln gewesen früher. Man hat im Dorf im Geschäft Malz kaufen können.“ Fritz Erschbamer aus Vilpian ergänzt: “In Vilpian gab es bis Ende der 60er Jahre eine Malzfabrik. Zuerst war eine Bierbrauerei und dann lange eine von einer italienischen Familie geführte Malzfabrik, in der Malz in erster Linie für die Bierproduktion erzeugt wurde. Die Gerste wurde immer zugekauft, da haben viele Leute aus dem Dorf als Arbeiter gearbeitet und die haben Malzkaffee mitbekommen, dadurch ist das in den Familien verarbeitet worden. Meine Mutter hat dies auch verwendet. Einmal die Woche wurde geröstet, dann hat der ganze Ort danach gerochen.“

.Erdmandel-Kaffee (Cyperus esculentus)

Erdmandeln zählen zu jenen Kulturarten, die gerade wieder neu entdeckt werden. Sie eignen sich roh oder geröstet als “Knabberfrucht“, gemahlen als Nussersatz, gekocht als Gemüsebeilage oder können zu herrlichen Erfrischungsgetränken verarbeitet werden. Sie schmecken angenehm süßlich nach Mandeln. Die Pflanzestammt aus dem tropischen Afrika, hat in Spanien aber bereits seit Jahrhunderten Anbaubedeutung. Die Knollen enthalten bis zu 47% Zucker und Stärke, 20% Fette und 8% Eiweiß. Für Südtirol, die Südsteiermark und Nürnberg ist der Anbau der Erdmandel als Kaffee-Surrogat dokumentiert. Hinweise auf die Nutzung der Erdmandeln als Kaffee finden sich sowohl in der Literatur, auch gibt es ältere Menschen, die sich an die Verwendung der Erdmandeln als Kaffee erinnern. Wilhelm Pfaff hat im Jahr 1927 in einer Ausgabe der Schlernschrift einen umfassenden Beitrag über die Kulturpflanzen der Bauerngärten in Südtirol verfasst. Er erwähnt die Erdmandel als Kaffee-Ersatz-Pflanze: “(…) außerdem wurde in früheren Zeiten häufiger, wird gegenwärtig dagegen nur selten die Erdmandel (Cyperus esculentus) in Bauerngärten angebaut, deren süße Wurzelknollen alsKaffeesurrogat verwendet werden.“
Albina Erschbamer, geboren 1923 in Burgstall erinnert sich an die Erdmandeln: “Die haben nicht gerade viele gehabt. Das ist so ein Wosen, ein Graswosen, und wenn man den Wosen rausgerissen hat, dann sind alles so, wie amerikanischen Nüsslein dran, aber ohne Schale dran, die hat man gewaschen. Im Widum im Burgstall oben haben sie viele gehabt. Die haben sie auch den Kindern zum Naschen gegeben. Gut sind sie so zum Essen gewesen. Und die haben sie dann auch so angebraten. Man hat sie auch früher Erdmandeln genannt. Die sind gut, wenn sie frisch sind.“ Cäcilia Schwarz, geboren 1920 in Villnöss, die an diesem Gespräch teilgenommen hat, kann sich hingegen an Erdmandeln nicht erinnern. Da die Erdmandel eine sehr wärmebedürftige Kulturpflanze ist, wäre es auch höchst unwahrscheinlich, dass sie in Villnöss angebaut wurde. Auch in Bozen und Naturns können sich ältere Menschen an den Anbau von Erdmandeln erinnern.

.Soja-Kaffee (Glycine max)

Theresia Werth aus Altrei erinnert sich, dass ihr Vater nach dem Krieg Soja angebaut hat. Ein Onkel hatte die Sorte aus Weihenstephan (Bayern) mitgebracht. Die Pflanzen seien sehr ertragreich gewesen, die Samen gelb und auch der Geschmack wäre gut gewesen. Auch Cäcilia Schwarz erinnert sich, dass sie in den Kriegsjahren “Kaffeebohnen“ angebaut haben. Dies sei ein ganz guter Kaffee gewesen, zu dem man auch keinen Zusatz gebraucht habe: “Dann hat man den Kaffee gekocht, und da eine teuflische Pfanne voll, in den gelben Messingpfannen und da hat man so ein halbes Glas vom Pulver reingegeben, und dann Wasser und aufgekocht und dann in ein Kaffeehäfen reingeschüttet und da beim Herd zuigestellt und dann hat man immer einen Kaffee gehabt einen schwarzen, man hat davon einige Tage lang gehabt.“
Fritz Erschbamer aus Vilpian erinnert sich auch an die “Kaffeebohne“. Auch seine Beschreibung der Pflanze “da waren viele braune Tschirtschlein dran, wir haben sie im Stadl aufgehängt und getrocknet“, passt auf die Sojabohne. Eine weitere Erwähnung stammt aus Tisens.

Lupinen-Kaffee (Lupinus spp.)

In Südtirol konnten im Rahmen der Recherche zwei verschiedene Lupinen-Arten, die als Kaffee-Ersatz genutzt wurden, dokumentiert werden: Die Weiße Lupine Lupinus albus und die Behaarte Lupine, der “Altreier Kaffee“ Lupinus pilosus Murr.. Aus Cavalese stammt zudem eine weitere Lupinenart, die als Kaffee genutzt wurde und als “Caffè del campo“ bezeichnet wird: Die Blaue Lupine Lupinusangustifolius (siehe Seite 28). In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise, dass in Tirol Lupinen als Kaffee-Ersatz genutzt wurden. Im sehr umfangreichen, bereits zitierten Werk von Erwin Franke aus dem Jahr 1920 schreibt dieser, dass die Lupine als “Bauernkaffee“ bezeichnet wird.
Auch Wilhelm Pfaff verwendet die Bezeichnung “Bauernkaffee“, bei der Beschreibung der in Südtirol kultivierten Kaffee-Surrogate: “Es sind dies in erster Linie die blaublütigen Lupinen, Wolf- oder Feigbohnen (Lupinus hirsutus, varius, angustifolius) , welche in höheren Lagen fast in jedem Bauerngarten zu finden sind und deren bittere Samen von den Bäuerinnen zur Kaffeebereitung verwendet werden, weshalb die Lupinen hier auch direkt “Bauernkaffee“ heißen. Er ist halt a bißl sper (herb), aber süßt ist er nit übel, sagte mir einmal die Köhlenmutter in Seit (Geit), als ich sie gerade beim Auslösen der Lupinensamen aus dem Schoten antraf und danach fragte, wie der Lupinenkaffee eigentlich schmecke. Im Pustertale soll auch die weißblütige Lupine (Lupinus albus) zum gleichen Zwecke gebaut werden.“

.Feigen-Kaffee (Ficus carica)

Feigen waren eine beliebte Zutat zum Getreidekaffee, aber auch zum Bohnenkaffee. Zum einen wird der Kaffee durch die Zugabe von gerösteten und gemahlenen Feigen süßer, zum anderen nimmt er auch eine dünklere Farbe an. Albina Erschbamer, geboren 1923 in Burgstall, erinnert sich: “Ja, die richtigen Zuckerfeigen, die hat man im Geschäft gekauft, die waren ja ganz billig, die hat man dann fein aufgeschnitten und gebraten und durchgemahlen. Auch in den Kaffee-Bratpfannen.“ Sie erzählt, dass man die Feigen bereits getrocknet gekauft habe. Feigenbäume hat es ihrer Erinnerung nach nicht so viele gegeben, deren Feigen habe man eher frisch gegessen. Der Kaffee war scheckte besser und süßer durch die Feigen, erinnert sie sich. Während des zweiten Weltkrieges habe man, so wie viele andere Lebensmittel auch, kaum Feigen zu kaufen bekommen.

Birnen-Kaffee

Eine Birne, von der immer wieder erzählt wird, dass sie als Kaffee genutzt wurde, ist die Palabirne. Frowin Oberrauch vom Verein Sorten Garten Südtirol berichtet zur Nutzung der Palabirne, dass er aus Laatsch im Vinschgau folgendes Kaffee-Mischung kenne: 1/4 Feigen, 1/4 Gerste und 1/2 Palabirnen. Die Feigen und Birnen wurden hart gedörrt und gestampft oder in einer alten Mühle gemahlen. Nach dem Rösten wurde der Kaffee gesotten und absitzen gelassen und mit Milch getrunken. Auch andere Birnensorten wurden als Kaffee-Ersatz verwendet, so erinnert sich Albina Erschbamer aus Vilpian, dass ihre Mutter Kletzen (getrocknete Birnen) der Sorten „Williamsbirne“ und „Kaiserbirne“ ebenfalls als Kaffee röstete.


 

(Letzte Aktualisierung: 07.06.2007)