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Studie gibt Stimmungsbild der Familien in Covid-Zeiten wieder

Homeoffice, Fernunterricht, Mehrfachbelastung: Eine Umfrage hat erhoben, wie Familien durch die Pandemie kamen. "Familienunterstützende Angebote werden weiter ausgebaut", betont Landesrätin Deeg.

Die Familienagentur des Landes hat über eine Umfrage Südtirols Familien befragt, welche Erfahrungen sie mit der Corona-Pandemie und ihren einschränkenden Maßnahmen gemacht haben. Heute (30. Dezember) wurde ein erster Zwischenbericht vorgestellt. 

"Es ist wichtig hinzuschauen, wie es den Familien, den Kindern in dieser für uns alle schwierigen Zeit geht. Wir wollen genau hinschauen, wo wir noch besser unterstützen können und wie die bisher gesetzten Maßnahmen wahr- und angenommen werden", führte Familienlandesrätin Waltraud Deeg bei der Medienkonferenz aus. 

Im Zuge einer repräsentativen Studie wurden im Juli und August 2021 2238 Personen aus unterschiedlichen Haushalten befragt und zwar gezielt zu den Herausforderungen rund um Kinderbetreuung, Fernunterricht und die Pflege von Angehörigen, zur Einkommens- und Arbeitssituation, zu Haushaltsarbeit, Gesundheit, Lebensqualität sowie zur Stimmung innerhalb der Familie. "Es ging darum, ein Stimmungsbild zu erheben, das Einblicke in unterschiedliche Lebensbereiche der Familien gibt", hob Eurac-Forscherin Linda Ghirardello hervor. "Durch die rege Beteiligung, besonders auch bei den offenen Fragen, wird diese Studie zu einem Sprachrohr für die Familien", betonte Ingrid Kofler, Forscherin am Center for Advanced Studies von Eurac Research

Besondere Belastung für Frauen und vielköpfige Haushalte 

Die gewonnenen Daten würden bestätigen, was bisher vermutet wurde: Die negativen Folgen der Pandemie sind vor allem für Frauen, für vielköpfige Haushalte und Familien mit Kindern spürbar. In vielen Haushalten sei eine Rückkehr zu einer traditionell-konservativen Rollenverteilung der Geschlechter zu beobachten. Die Studie ziele aufgrund ihrer langfristigen Ausrichtung darauf ab, Vergleichsdaten und ein differenziertes Bild der Situation zu erhalten, führte die geschäftsführende Direktorin der Familienagentur, Carmen Plaseller aus. In der Studie werde zudem bestätigt, was bisher projektbezogene Elternbefragungen ergeben hätten: "Viele Angebote der Sommer- und Nachmittagsbetreuung wurden in dieser Zeit weniger aus Gründen der Vereinbarkeit gewählt, vielmehr liegt der Schwerpunkt auf sozialen und gesellschaftlichen Aspekten."

Es sei darum, erinnerte Familienlandesrätin Deeg, von großer Bedeutung gewesen, Betreuungs- und Bildungsdienste nach dem Lockdown so früh wie möglich wieder zu öffnen und zudem bewährte Projekte, wie jene der Sommerbetreuung, trotz geänderter Umstände beizubehalten. Zudem seien in den vergangenen Monaten Dienste wie der Basisdienst in der Kleinkindbetreuung oder finanzielle Sonderleistungen für Familien wichtige Unterstützungsleistungen gewesen. "Wir nehmen aus der Studie wichtige Erkenntnisse mit, unter anderem dass wir familienunterstützende Angebote in guter Zusammenarbeit mit allen Partnern weiter ausbauen werden", hob Deeg hervor. So werde am Ausbau der Kleinkindbetreuungseinrichtungen (auch mit finanzieller Unterstützung durch den staatlichen Wiederaufbaufonds) weitergearbeitet, zudem arbeite man derzeit an der Einführung von Familienschaltern in den Sozialdiensten, die wichtige Anlaufstellen vor Ort für die Familien darstellen.

Details aus der Studie

Die Schließung schulischer und vorschulischer Einrichtungen stellte über 90 Prozent der Befragten vor Schwierigkeiten in der Kinderbetreuung. Auch das Wegfallen der Freizeitaktivitäten (51 Prozent), die große Unsicherheit aufgrund unzureichender Informationen (45 Prozent) und die fehlende Unterstützung durch Großeltern und andere Verwandte (44 Prozent) sorgten für herausfordernde Situationen in Südtirols Haushalten. Insbesondere Befragte mit Kindern im Grund- und Mittelschulalter sowie besonders kinderreiche Familien sprachen von einer eher schwierigen bis sehr schwierigen Lage. Rund zwei Drittel der Befragten bewerteten die Erfahrung mit dem Fernunterricht für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie für sich selbst eher negativ bis sehr negativ. Dabei wurden die exzessive Bildschirmzeit, mangelnde Bewegung und die Abnahme der Unterrichtsqualität angegeben. Zwar seien neue digitale Kompetenzen gewonnen worden, trotzdem fühlte sich ein großer Teil der Teilnehmenden technisch wie zeitlich überfordert.

Insgesamt mussten fast 40 Prozent der interviewten Personen ihre Arbeit unterbrechen, haben sie gewechselt oder ihre Arbeit gar verloren. Für rund ein Viertel haben sich die geleisteten Arbeitsstunden verringert, während 14 Prozent angaben, während der Pandemie mehr gearbeitet zu haben. Wenn auch mehr Männer (30 Prozent) als Frauen (25 Prozent) ihre Lohnarbeit aufgrund der Covid-19-Maßnahmen unterbrechen mussten, hatten doch letztere höhere Einkommensverluste zu beklagen, die für ganze 23 Prozent ein großes Problem und für 45 Prozent teilweise ein Problem darstellten. Gleichzeitig wurde auch die Erschöpfung bei der Arbeit von weiblichen Befragten höher empfunden. Frauen waren von den Mehrfachbelastungen stärker betroffen, denn ein Großteil aller Haushalts- und Betreuungszuständigkeiten fiel auf sie zurück. Aus diesem Grund gestaltete sich auch das Homeoffice, insbesondere mit Kindern im Haushalt, für Frauen deutlich belastender. Nicht verwunderlich ist es daher, dass sich die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit während der Pandemie für insgesamt 36 Prozent der Befragten verschlechtert hat, während nur neun Prozent von einer Erleichterung sprachen. Obwohl einerseits Vorteile wie die flexiblere Arbeitseinteilung und die bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Arbeit insbesondere für Pendlerinnen und Pendler genannt wurden, bedeutete für 49 Prozent die Trennung von Privat- und Berufsleben eine große Herausforderung, 74 Prozent fehlte zudem der soziale Kontakt bei der Arbeit.

Obwohl sich der Großteil der Befragten (65 Prozent) an die Pandemie gut oder eher gut anpassen konnte, gaben 71 Prozent an, dass sich ihre Lebensqualität aufgrund der Pandemie verschlechtert habe. In beinahe der Hälfte der Haushalte war eine Zunahme an Stress und Spannungen erlebbar, vor allem in Familien mit Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren. Auch psychologische Belastungserscheinungen traten in Form von Lustlosigkeit, Unruhe, Rückzug oder Passivität auf, ebenso verzeichnet die Studie eine Zunahme an exzessivem Digitalverhalten und Ernährungsproblemen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden aus unterschiedlichen Haushalten Südtirols nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Sie konnten ihre Antworten mittels eines Online-Fragebogens aber auch telefonisch abgeben. Im Zuge einiger sogenannter offener Fragen nutzen die Befragten die Möglichkeit, auch detailliert auf ihre Situation einzugehen und ihre Schwierigkeiten und Wünsche zu schildern. Hierbei wurden finanzielle Soforthilfen für sozialschwache Familien, eine klare Kommunikation und klare Maßnahmen oder die realistische Anpassung der Notbetreuungszeiten an die tatsächlichen Arbeitszeiten inklusive Anfahrt zum Arbeitsplatz genannt. 

Weitere Befragung im Sommer 2022 

Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die erste Befragung zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Südtiroler Individuen und Haushalte. Um auch mögliche Veränderungen im Zeitverlauf zu erheben, ist im Sommer 2022 eine weitere Befragung geplant. Informationen zur Studie und zum vorgestellten Zwischenbericht erteilen die beiden Eurac-Forscherinnen Linda Ghirardello (linda.ghirardello@eurac.edu) und Ingrid Kofler (ingrid.kofler@eurac.edu).


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LPA/ck/red