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50 Jahre Autonomie Ostbelgiens: Kompatscher bei Diskussion in Eupen

Ähnlicher Minderheitenschutz, reger Austausch und gegenseitige Unterstützung in der EU: Bei einer Diskussion in Eupen bekräftigen die Regierungschefs Ostbeligens und Südtirols ihre Verbundenheit.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens (Ostbelgien) und das Land Südtirol haben nicht nur eine ähnliche Geschichte und ähnlichen Minderheitenschutz, sie pflegen auch einen regen Austausch und erneuern ihr Versprechen, sich gegenseitig zu unterstützen, etwa durch gemeinsame Initiativen auf EU-Ebene: Dies betonten der Ministerpräsident Ostbelgiens, Oliver Paasch, und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher gestern (25. Mai) Abend in der ostbelgischen Hauptstadt Eupen im Rahmen einer Diskussionsrunde, die an das 50-jährige Bestehen der Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien erinnerte. Eine gemeinsame Initiative zielt beispielsweise darauf ab, den erschwerten Zugang zu Internet-Inhalten für sprachliche Minderheiten zu überwinden, der sich aus dem sogenannten Geoblocking ergibt.

Die Veranstaltung erinnerte daran, dass vor 50 Jahren in Eupen Kulturräte eingeführt wurden: der Beginn der Selbstverwaltung Ostbelgiens. Im Anschluss wurde eine parlamentarische Einrichtung geschaffen, schließlich eine erste Regierung eingesetzt. 

Viele Gemeinsamkeiten zum Schutz von Sprache und Kultur 

Paasch und Kompatscher verwiesen in Bezug auf Minderheitenschutz und Autonomie auf viele Parallelen, aber auch einige wesentliche Unterschiede zwischen Ostbelgien und Südtirol. "In beiden Fällen", stellte Kompatscher fest, "geht es darum, die Sprache und Kultur der deutschsprachigen Minderheit in einem Staat zu erhalten, zu schützen und zu fördern, der mehrheitlich eine andere Sprache spricht." Der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung sei annähernd gleich. Auch die autonomen Zuständigkeiten sind ähnlich. "Damit gehören beide Sprachminderheiten sicher zu den am besten geschützten in Europa, und das ist gleichbedeutend mit der Welt", sagte Kompatscher. 

Unterschiede aufgrund von Föderalismus und Zentralismus

Im Unterschied zu Südtirol ist die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien aber in einen föderalistisch aufgebauten Staat eingebettet. Die Rechte der Wallonen - also der frankophone Sprachgruppe, der Flamen und Ostbelgier sind nicht in getrennten Autonomiestatuten, sondern in die Verfassung eingebettet. "Diese föderale Ausrichtung macht vieles leichter", sagte Kompatscher, "denn alle Gemeinschaften im Staat wollten und wollen ihre Selbstverwaltung gemeinsam ausbauen." Der zentralistisch aufgebaute Staat Italien hingegen gewähre lediglich einzelnen Regionen Sonderautonomien, wobei Südtirols Situation aufgrund des völkerrechtlichen Vertrags und der Verpflichtung Italiens gegenüber Österreich eine ganz eigene sei.

Reger Austausch, ähnliche Lösungswege

Paasch und Kompatscher verwiesen auf den mittlerweile regen Austausch, vor allem im Schulbereich, aber auch die gleiche Herausforderung, den Deutschunterricht in einem ansonsten anderssprachigen Umfeld zu gestalten, verbunden mit dem Wunsch, dass die Kinder beide Sprachen möglichst gut erlernen. Weiterentwickeln müsse sich die Schule auch im Umgang mit Kindern neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die keine der Landessprachen sprechen.  

Beide Regierungen haben den Anspruch, die Autonomie zur Bewältigung der großen Herausforderungen der Gegenwart zu nutzen: vom leistbaren Wohnen oder einem fairen und gerechten Einkommen für alle Bürgerinnen und Bürger über den nötigen, großen Umbau infolge des Klimawandels bis zur Digitalisierung und dem demographischen Wandel. "Hier wie dort herrscht großer Fachkräftemangel", sagte Kompatscher, "besonders spürbar ist dieser im Gesundheitsbereich - sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als bei der Pflege. Ostbelgien versucht wie wir, entsprechende Ausbildungsplätze zu erhalten und im Ausland Studierende wieder zurück zu holen." 

Treffen mit Tirols Landeshauptmann Mattle

Bereits am Nachmittag hatten sich Kompatscher und Paasch in Brüssel mit dem Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle getroffen, der sich freute, Paasch über aktuelle Themen und Herausforderungen in Tirol aus erster Hand zu berichten. Gleichzeitig hob er die Verbundenheit mit der deutschen Minderheit in Belgien hervor: "Sprache verbindet und schafft Identität. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass im August ein eigens initiiertes 'Tirolerfest' in Eupen stattfindet. Es ist Ausdruck dieser Freundschaft, die wir weiterhin pflegen wollen." 


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LPA/gst