Finanzielle Grundbildung als Grundstein für mündige Bürgerinnen und Bürger

Finanzielle Grundbildung als Grundstein für mündige Bürgerinnen und BürgerBürgerinnen und Bürger sollten wirtschaftliche Zusammenhänge, Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen zumindest in ihren Grundzügen verstehen, um damit verbundene Risiken und Folgen einschätzen zu können. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten werden allgemein mit dem Begriff der finanziellen Grundbildung beschrieben. Die Evaluationsstellen für das deutsche, italienische und ladinische Bildungssystem der Autonomen Provinz Bozen und das WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen haben die Daten der PISA-Erhebung 2018 analysiert, um ein umfassendes Bild der finanziellen Grundbildung von Südtirols Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen.
Im internationalen Vergleich reihen sich Südtirols Fünfzehnjährige im Modul zur finanziellen Grundbildung der PISA-Studie im Mittelfeld aller teilnehmenden Länder ein. Im nationalen Vergleich zeigt sich ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle, wobei Südtirol sich deutlich über dem nationalen Mittel positioniert. Insgesamt verfügen in Südtirol rund 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler über ein Kompetenzniveau, das es ihnen ermöglicht, alltägliche Anforderungen in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft eigenständig zu bewältigen.
Die Themen aus der Wirtschafts- und Finanzwelt werden in Südtirols Schulen am häufigsten im Mathematikunterricht erarbeitet. Informationen zum Umgang mit Geld erhalten die Jugendlichen hingegen überwiegend vom Elternhaus. Weitere wichtige Informationsquellen sind das Internet und die Lehrpersonen der Jugendlichen.
Der prozentuelle Anteil der Fünfzehnjährigen in Südtirol, die ein Bankkonto oder ein Konto bei der Post besitzen (71 Prozent), ist entschieden höher als auf gesamtstaatlicher Ebene (43 Prozent), im Trentino (57 Prozent) und in den OECD-Ländern (53 Prozent). Im Gegensatz zu Gleichaltrigen in anderen Regionen vergleichen sie jedoch seltener Preise zwischen verschiedenen Geschäften oder Internetshops und warten seltener ab, dass Produkte günstiger werden.
Die Studienergebnisse zeigen weitere eindeutige Unterschiede: So sind Mädchen im Schnitt unsicherer im Umgang mit Geldangelegenheiten (Kaufverträge, Kontoauszüge usw.) und bei der Nutzung digitaler Finanzdienstleistungen (z.B. Überweisungen) und haben allgemein weniger Interesse an Finanzthemen als Jungen. Je niedriger das Bildungsniveau und das Einkommen der Eltern, desto geringer ist im Schnitt die finanzielle Grundbildung ihrer Kinder. Außerdem zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Jugendlichen ohne beziehungsweise mit Migrationshintergrund.
Schließlich wurden auch die Einflussfaktoren der finanziellen Grundbildung untersucht: Die Mathematik- und Lesekompetenzen der Schülerinnen und Schüler haben einen starken Einfluss und bilden so die Grundpfeiler der finanziellen Grundbildung der Südtiroler Jugendlichen. Andere Faktoren, wie der Besuch eines Kurses zur finanziellen Bildung, das Einbeziehen der Eltern bei Fragen der finanziellen Allgemeinbildung oder die Vertrautheit mit komplexen Finanzkonzepten haben einen geringeren positiven Effekt.
„Der Erwerb von soliden Fähigkeiten im Lesen und im Rechnen stellt einen zentralen Faktor für den Aufbau einer finanziellen Grundkompetenz dar, die es bereits ab der Grundschule spezifisch zu fördern gilt. Besonders zu berücksichtigen sind dabei Schülerinnen und Schüler, die gefährdet sind, ein angemessenes Grundniveau an Finanzkompetenzen nicht zu erreichen“, sind sich die Landesräte Philipp Achammer, Daniel Alfreider und Giuliano Vettorato einig.
„In Unternehmen kann jungen Menschen finanzielles Grundwissen besonders praktisch und anschaulich vorgelebt und vermittelt werden. Unternehmerinnen und Unternehmer sind einem besonderen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, weshalb eine hohe finanzielle Grundbildung für sie wesentlich ist“, ergänzt Handelskammerpräsident Michl Ebner.
Bei der Tagung „Die Zukunft der finanziellen Grundbildung“ am heutigen Donnerstag, 20.10.2022 wurde das Themenfeld mit einer Reihe hochkarätiger Referentinnen und Referenten vertieft. Carlo di Chiacchio von Invalsi, Michael Razen von der Universität Innsbruck, Magda Bianco von der Banca d’Italia, Gunde Bauhofer von der Verbraucherzentrale Südtirol und Bettina Zurstrassen von der Universität Bielefeld beleuchteten die finanzielle Grundbildung dabei aus verschiedenen Blickwinkeln.
Die Studie 3.22 „Die finanzielle Grundbildung der Fünfzehnjährigen in Südtirol – Ergebnisse, Haltungen, Einflussfaktoren und Handlungsfelder“ liegt an der Evaluationsstelle für das deutsche Bildungssystem in gedruckter Form auf. Allen Schuldirektionen werden demnächste einige Exemplare der Publikation zur Verfügung gestellt.
Weitere Auskünfte erteilten die Mitautoren der Studie Martin Holzner, Tel. 0471 408490, martin.holzner@provinz.bz.it und Klaus Niederstätter, Tel. 0471 406889, klaus.niederstaetter@provinz.bz.it.