Zugang zum Schwangerschaftsabbruch in Südtirol gemäß Art. 4 Ges. 194/78

In Italien ist nach dem Gesetz ein Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Der Schwangerschaftsabbruch ist mit Gesetz vom 22. Mai 1978, Nr. 194 „Bestimmungen über den Schutz der Mutterschaft und über den freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft“ geregelt.

Schwangerschaftsabbruch innerhalb 90 Tage, gem. Art. 4 Ges. 194/78:

Frauen, die einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch beabsichtigen, können sich an folgende Stellen wenden:

  1. Krankenhaus Meran, gynäkologische Ambulanz
  2. Krankenhaus Bozen, Gynäkologie
  3. Familienberatungsstellen, die Bescheinigungen für die Abtreibung ausstellen:
    Familienberatungsstelle AIED in Bozen, Familienberatungsstelle Lilith in Meran, Familienberatungsstelle l'Arca in Bozen
  4. Private Frauenärztinnen und Frauenärzte, die bereit sind, Bescheinigungen für den Schwangerschaftsabbruch auszustellen

Vorgesehen ist zunächst ein Gespräch mit der Frau. Im Gespräch werden die Umstände erörtert, weswegen eine Frau eine Abtreibung vornehmen möchte.

Es stellen sich Fragen wie:

  • Welche gesundheitlichen und psychologischen Auswirkungen können eintreten?
  • Welche Möglichkeiten der öffentlichen finanziellen/materiellen Unterstützung gibt es in sozialen Notlagen?
  • Welche Vereine bieten psychologische und/oder materielle Unterstützung?

Man spricht mit der Frau  über die ihr zustehenden Rechte und die sozialen Leistungen, die sie in Anspruch nehmen kann; man informiert sie über Beratungsstellen und Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen. Es wird über die Möglichkeit der Adoption gesprochen.

Das Gesetz 194/78  sieht im Artikel 5 vor, dass anlässlich der Anfrage auf einen freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft der Frau eine mögliche Hilfestellung angeboten wird, um die Gründe zu beheben, die sie zum Schwangerschaftsabbruch bewegen. Diese Hilfestellung darf nicht auf den Versuch hinauslaufen, sie zu beeinflussen und sie von ihrer schon gefassten Entscheidung abzubringen, noch viel weniger ist ein moralisches Urteil von Seiten des Arztes erlaubt.

Eine nicht gewollte Schwangerschaft, bzw. ein Schwangerschaftsabbruch ist für jede betroffene Frau eine schwierige Situation. Verschiedene gesundheitliche, gesellschaftliche, soziale, kulturelle, religiöse und ethische Aspekte unterstreichen die Vielschichtigkeit und Komplexität dieser Thematik.

All diese Themen sollten in die Beratung und Entscheidung der Frau einfließen. Entscheidend ist eine wertfreie Aufklärung, um eine Frau in die Lage zu versetzen, eine für sie richtige Entscheidung zu treffen. Dazu sind manchmal auch mehrere Beratungstermine notwendig. Um die Schwangerschaft datieren zu können, wird auch eine gynäkologische Untersuchung und eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Am Ende des Gesprächs wird eine Bescheinigung ausgestellt.

Wenn das Gespräch im Krankenhaus erfolgt, bekommt die Frau einen Termin für die Abtreibung (nach der gesetzlich vorgesehenen Bedenkzeit von 7 Tagen), ansonsten muss sie sich zur Terminvereinbarung an die obengenannten Krankenhaus-Ambulatorien wenden. Dort wird die Bescheinigung kontrolliert und der Termin vergeben.

Es wäre wünschenswert, wenn laut Gesetz Erstgespräche öfters in Familienberatungsstellen  in Anspruch genommen würden.

Methoden des Schwangerschaftsabbruches

  1. Abtreibungen innerhalb von 12 Wochen (90 Tage) werden mittels Saugkürettage durchgeführt. Der Eingriff  erfolgt unter Sedierung im Rahmen einer Day Hospital-Aufnahme und dauert ca. 5 Minuten. Die Frau wird normalerweise abends entlassen. Sie soll einen Monat später eine gynäkologische Kontrollvisite  entweder beim Facharzt oder im Krankenhaus durchführen, wo auch über Verhütung gesprochen wird (z.B.: Spirale, Ovulationshemmer).
  2. Abtreibungen innerhalb von 9 Wochen (63 Tage) werden pharmakologisch im Day Hospital durchgeführt. Der Frau wird die Abtreibungspille verabreicht (1 Tablette Mifepriston 600mg), danach kann sie sofort nach Hause gehen. 2-3 Tage später erfolgt eine Kontrollvisite. Sollte die Frucht noch nicht ausgestoßen worden sein, werden Prostaglandine verabreicht, die bewirken, dass die Gebärmutter sich zusammenzieht und die Frucht ausgestoßen wird. Die Frau wird entlassen und kommt nach einer Woche zur geplanten Kontrollvisite, außer es treten Komplikationen auf.

Für Informationen zum Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten wenden Sie sich direkt an das Bozner Krankenhaus unter der Nummer 0471 438394, von Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.00 Uhr.

    Schwangerschaftsabbruch nach 90 Tagen, gem. Art. 6 Ges. 194/78

    Diese Abtreibungen werden nach Gesetz bei schwerwiegenden Komplikationen wie schwere fetale Anomalien, fetale Krankheiten und/oder Krankheiten der Mutter durchgeführt. Die Einweisung dieser Frauen erfolgt normalerweise nicht durch die Betroffene selbst, sondern durch den betreuenden Gynäkologen oder die betreuende Gynäkologin, oder durch den Pränataldiagnostiker / die Pränataldiagnostikerin, die die schwerwiegende Komplikation oder Fehlbildung festgestellt oder bestätigt hat.

    Bei Schwangerschaftsabbrüchen nach 90 Tagen gibt es keine 7-Tage Frist.

    Die Abortinduktion wird im Rahmen einer ordentlichen stationären Aufnahme mittels Prostaglandingabe durchgeführt. Nach der Abstoßung der Frucht wartet man ab, bis sich die Plazenta ablöst. Falls Frucht oder Plazenta nicht vollständig ausgestoßen werden, wird eine Kürettage durchgeführt. Die Frau kann in der Regel am nächsten Tag das KH verlassen. 4-8 Wochen später erfolgt eine Kontrollvisite.

    Während des Krankenhausaufenthaltes wird der Patientin und dem Partner eine wertfreie Betreuung durch die Seelsorge oder durch den psychologischen Dienst des Krankenhauses angeboten.

    Die Kosten des Eingriffs trägt der öffentliche Gesundheitsdienst.

    Bei Minderjährigen ist die Zustimmung der Eltern oder des Vormundes notwendig.

    Man kann davon ausgehen, dass die rechtlichen Aspekte des freiwilligen Schwangerschaftsabbruches als geklärt zu betrachten sind. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die ethischen Probleme um den Konflikt der Abwägung der Werte zwischen der Gesundheit der Mutter und dem Überleben des Embryos ungelöst bleiben.

    Der freiwillige Schwangerschaftsabbruch ist fast immer eine schmerzvolle und bedrückende Entscheidung für eine Frau. Das Sanitätspersonal muss der Frau in einer solchen Situation Achtung und Respekt entgegenbringen.