Rechtsvorschriften: sprachliche Aspekte und Gesetzgebungstechnik
Die Ämter erstellen - oft nach langen Vorarbeiten - einen Entwurf für eine Verordnung oder ein Landesgesetz. Sachliche Fragen wurden geklärt, unterschiedliche Interessen berücksichtigt, Verfahren und Umsetzung auf Effizienz und Wirksamkeit ausgerichtet. Die Arbeit des federführenden Amtes ist vorerst erledigt. Jetzt sind andere mit ihrem Fachwissen an der Reihe: Die Juristinnen und Juristen der Rechtsabteilung überprüfen den Text aus rechtlicher Sicht, die Revisorinnen und Revisoren des Amtes für Sprachangelegenheiten prüfen ihn dagegen unter einem sprachlichen Gesichtspunkt, gewissermaßen als erste „Außenstehende“, stellvertretend für alle, an die sich der Text richtet.
Bevor der Entwurf an das Amt für institutionelle Angelegenheiten (Beschlussamt) geht, wird er also interdisziplinär überprüft, zuerst auf seine rechtliche und gesetzgebungstechnische und danach auf seine sprachliche Korrektheit hin.
Bürgerfreundliche Verwaltungssprache
Die Sprache der Verwaltung und der Gesetze
Verwaltungs- und Gesetzessprache darf keine Geheimsprache sein, die nur „Eingeweihte“ verstehen. Mit Hilfe der Sprache soll ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern aufgebaut werden. Über die Sprache soll eine Brücke zwischen den Menschen innerhalb und außerhalb der Verwaltung geschlagen werden. Je unkomplizierter die Sprache, desto besser gelingt die Kommunikation – Verständigungsprobleme werden von vornherein ausgeschaltet. Für die Verwaltung führen schwierige oder missverständliche Formulierungen zu sinnloser Mehrarbeit, für die Bürgerinnen und Bürger sind sie ebenfalls zeitraubend und noch dazu ein Ärgernis.
Die Sprache der Verwaltung muss präzise sein. Die Verwaltungssprache kann daher nicht auf fachsprachliche Elemente verzichten.
Andererseits soll sie von allen verstanden werden, es sei denn, nur eine bestimmte Kategorie von Fachleuten wird angesprochen.
Damit befindet sich die Verwaltungssprache in einem Spannungsverhältnis zwischen Fachsprachlichkeit und allgemeiner Verständlichkeit.
Das Amt für Sprachangelegenheiten möchte dazu beitragen, hier eine Brücke zu schlagen: unser Beitrag besteht darin, Rechtsvorschriften zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass sie so verständlich wie möglich an die Öffentlichkeit gehen und dennoch ihre inhaltliche Genauigkeit bewahren, die immer an erster Stelle steht.
Daher überprüfen wir insbesondere Rechtsvorschriften, auf Anfrage einzelner Ämter jedoch auch Broschüren, Formulare usw. unter dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit und Bürgernähe.
Allen, die Rechtsvorschriften und Verwaltungstexte verfassen, die an eine breitere Öffentlichkeit gehen, stehen wir gerne zur Seite.
Unser Amt veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Amt für Personalentwicklung auch Schulungen für Landesangestellte zum Thema „Bürgerfreundlich formulieren“, Informationen dazu erhalten Sie direkt beim Amt.
- Textebene:
- Zielgruppe vor Augen halten: an wen richtet sich der Text? Kann dieser Personenkreis den Text verstehen?
- Botschaft: welche Botschaft soll vermittelt werden?
- Ziel des Textes: was soll mit dem Schreiben/Text erreicht werden?
- Satzebene:
- Kurze Sätze bilden! Schachtelsätze sind schwer lesbar!
- Linearer Satzbau: keine umständlichen Konstruktionen!
- Aktiv statt Passiv: leichter zu lesen, wirkt lebendiger
- Positiv formulieren, doppelte Verneinung vermeiden: der Leser muss im Gedanken den Text „analysieren“, Missverständnisse können entstehen!
- Wortebene:
- allgemein gebräuchliche Wörter verwenden. Je breiter die Allgemeinheit, desto einfacher sollten wir schreiben!
- Verben statt Substantive. Texte, in denen sich Substantive häufen, wirken sehr schwerfällig!
- Fremdwörter vermeiden, wo ein entsprechendes Wort in der eigenen Sprache vorhanden ist
- Abstrakte Formulierungen vermeiden; sie erschweren unnötig das Textverständnis
- Abkürzungen vermeiden; wir mögen wissen, was gemeint ist, unsere Leserinnen und Leser nicht
- Richtig mit Fachwörtern umgehen, je nach Zielgruppe erklären!
- Einheitliche Terminologie verwenden; für ein und dieselbe Sache immer denselben Term verwenden, es sei denn, es handelt sich um Stilübungen im Rahmen eines literarischen Werks. Uneinheitliche Terminologie führt zu Missverständnissen.
- Richtigen Ton wählen: wir sollten die Bürgerinnen und Bürger so anschreiben, wie wir selbst auch angeschrieben werden möchten!
- Amtsstil vermeiden: der Amtsstil ist veraltet und wirkt überheblich. Wir möchten eine Brücke zu den Bürgerinnen und Bürgern bilden und als bürgernahe Verwaltung auftreten!
Überarbeitung von Rechtsvorschriften
Bei der Überprüfung der Entwürfe aus sprachlicher Sicht stellen wir uns folgende Fragen:
- ist der Text verständlich formuliert?
- ist der Text so gegliedert, dass ich ohne Schwierigkeiten finde, was ich suche?
- wird die Terminologie einheitlich verwendet und ist sie üblich?
- lassen sich Sachverhalte einfacher ausdrücken?
- sind einzelne Formulierungen eventuell nicht eindeutig genug oder schaffen sie unerwünschten Interpretationsspielraum?
- gibt es überflüssige Textstellen?
- fehlen gewisse Elemente im Text?
- ist der Text einheitlich? Hängen die Normen grammatikalisch, sprachlogisch und sachlich zusammen?
Ferner achten wir darauf, dass wirklich gleichwertige Fassungen an die Öffentlichkeit gehen, die effektiv dem Sprachgebrauch der verschiedenen Sprachgruppen Rechnung tragen:
Entsprechen die Formulierungen dem Sprachgebrauch der jeweiligen Sprachgemeinschaft oder klingen sie übersetzt?
Lassen sich Bedeutungsnuancen begründen, die durch den Vergleich der beiden Sprachen entdeckt werden? Welche Formulierung ist besser bzw. genauer?
Das federführende Amt erhält dann von uns Vorschläge, die nicht als Korrekturen zu verstehen sind, sondern als Beitrag zur Diskussion und als Chance zur sachlichen Klärung. Eine solche Zusammenarbeit zwischen den Ämtern fällt sicher nicht immer leicht: Die Fachleute haben lange an ihren Formulierungen gefeilt. Dazu kommt oft großer Zeitdruck. Viele Formulierungen sind das Ergebnis heikler Kompromisse und schon allein deswegen „unantastbar“.
An oberster Stelle sollte jedoch immer die Bedeutung einer inhaltlich korrekten und klaren Gesetzessprache stehen, die das Funktionieren der Landesverwaltung gewährleistet und somit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger stärkt.
Für ein so wichtiges Ziel ist der Aufwand sicher mehr als gerechtfertigt.
In der Gesetzgebungstechnik folgt die Anwaltschaft den Vorgaben der legistischen Richtlinien (Rundschreiben des Generaldirektors vom 02.01.1997) (Externer Link).
Die Rechtsvorschriften der Landesverwaltung sollen nicht nur präzise, sondern auch für die jeweilige Zielgruppe verständlich formuliert sein. Alle sollen in der Lage sein, den an sie gerichteten Text ohne die „Übersetzung“ von Rechtsfachleuten zu verstehen.
Die Schulungen, die die Anwaltschaft den Landesbediensteten anbietet, sollen dazu beitragen, das Problem schon „an der Wurzel“ anzugehen, indem all jenen, die Rechts- und Verwaltungstexte schreiben, Tipps für verständliches, bürgernahes Formulieren vermittelt werden. Die Schulung „Bürgerfreundlich formulieren - Legistik“ besteht aus zwei Modulen, in denen der sprachliche Aspekt (Amt für Sprachangelegenheiten) und der rechtlich/gesetzgebungstechnische Aspekt (Direktion der Anwaltschaft) behandelt werden.
Die Schulungen für Landesbedienstete organisiert das Amt für Personalentwicklung (Externer Link).
Literaturhinweise:
- Arbeitshandbuch Bürgerfreundliche Verwaltungssprache (Bundesverwaltungsamt - Deutschland)
- Manuale di stile, a cura di Alfredo Fioritto, Dipartimento della Funzione Pubblica, il Mulino, Bologna 1997
- Direttiva sulla semplificazione del linguaggio dei testi amministrativi, Dipartimento della Funzione Pubblica, maggio 2002
- Direttiva sulla semplificazione del linguaggio delle pubbliche amministrazioni, Dipartimento della Funzione Pubblica, ottobre 2005
- Guida alla redazione degli atti amministrativi, Istituto di teoria e tecniche dell'informazione giuridica del Cnr e Accademia della Crusca, 2011.