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Lebensqualität und der Einfluss des Tourismus: Studie vorgestellt

In der öffentlichen Wahrnehmung polarisiert Tourismus in Südtirol. Doch die Bevölkerung sieht den Tourismus differenziert, sagt eine Studie der Freien Universität Bozen. Heute wurde sie vorgestellt.

Das Kompetenzzentrum Tourismus und Mobilität der Freien Universität Bozen hat in Zusammenarbeit mit dem Landesressort Tourismus eine Studie zur Lebensqualität in Südtirol mit besonderem Fokus auf den Einfluss des Tourismus darauf durchgeführt. Das Ergebnis: Der Blick der Südtirolerinnen und Südtiroler auf den Tourismus ist keineswegs zweigeteilt, sondern durchaus differenziert: Der wirtschaftliche Nutzen für alle wird anerkannt, Belastungen – beispielsweise durch den Verkehr – werden aber auch gesehen.

Am heutigen Montag (19. Juni) haben Studienleiter Thomas Bausch – er ist Direktor des Kompetenzzentrums Tourismus und Mobilität der Freien Universität Bozen (FUB) – und Landesrat Arnold Schuler die Studie (vollinhaltlich in den Downloads einsehbar) gemeinsam vorgestellt und bewertet. "Die Studie zeigt, dass der Blick der Südtirolerinnen und Südtiroler auf den Tourismus durchwegs differenziert ist und keine Schwarz-Weiß-Malerei, wie oft angenommen wird", erklärte Bausch. Die Studie ergab, dass jeder beziehungsweise jede dritte Südtiroler und Südtirolerin den Einfluss des Tourismus auf die verschiedenen Lebensbereiche "teils positiv/teils negativ" bewertet, ein weiteres Drittel schätzt den Tourismus für Südtirol "eher positiv" ein, mit "überwiegend positiv" bewerteten 18,9 Prozent den Einfluss des Tourismus auf die Lebensqualität in Südtirol und 13,1 Prozent mit "überwiegend negativ". Zwei touristisch hochentwickelte Gebiete stehen sich in ihrer Wahrnehmung des Tourismus entgegengesetzt gegenüber: Während in den ladinischen Gebieten, vor allem im Gadertal, die Befragten angaben, in ihrem Leben den Tourismus sehr stark zu spüren, ihm aber durchwegs positiv gegenüber zu stehen, sind diese Angaben in Meran und der unmittelbaren Umgebung häufig kritisch.

Tourismus: Präsent, nicht nur mit positiver Wirkung

Die Südtirolerinnen und Südtiroler sind laut der Studie der Universität Bozen mit ihrem Leben zu 60 Prozent "zufrieden" oder "voll und ganz zufrieden" und blicken optimistisch in die Zukunft: Damit wird eine Haltung aus früheren Studien bestätigt. Der Tourismus ist im Leben der meisten Südtirolerinnen und Südtiroler präsent – dass sie ihn "nie oder selten spüren" gaben nur 17,7 Prozent der Befragten an. 

Grundsätzlich positiv sei der Tourismus in der Wahrnehmung der Studienteilnehmenden aus wirtschaftlicher Sicht. Negative Auswirkungen machten die Befragten hingegen in den Bereichen Natur und Umwelt, Mobilität, Wohnraum und Lebenshaltungskosten aus. Dass der Verkehr zugenommen habe, der Wohnraum zunehmend knapper und teurer werde und dass das Leben in Südtirol grundsätzlich mehr koste, seien Tatsachen, meint Bausch: "Das ist sicherlich nicht allein auf den Tourismus zurückzuführen. Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der Übernachtungen um 9 Millionen auf 34,3 Millionen gewachsen ist, ist auch die Bevölkerungszahl um knapp 70.000 angestiegen." Anzumerken sei, dass Südtirol statistisch gesehen in Europa eines der Länder mit der höchsten Fahrzeugdichte sei. Ein Blick nur auf Verkehrsdaten des Pustertals zeige, dass "heute im November gleich viel Verkehr ist wie vor 15 Jahren um die Mittsommertage". Allein diese Zahl belege, dass zwischen Wahrnehmung und Realität viel Spielraum sei, merkte Bausch an.

Lösung angehen: Politik und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam

Aus der Studie gehen aber auch – nicht völlig unerwartete – Daten hervor, die in anderen Bereichen Anstöße zum Handeln geben können. Anzusetzen ist sicherlich im Bereich Lebenshaltungskosten: Die Hälfte der Befragten vergab einen negativen Wert, 15 Prozent bewerteten den Bereich in ihrem Umfeld sogar als "ehr schlecht“.  Negative Noten gab es auch für die Immobilienpreise, ebenso für Mietpreise. Auch die Möglichkeit, Immobilien zu kaufen oder zu mieten, wird von mehr als der Hälfte der Studienteilnehmenden mit einer negativen Note bewertet. 56 Prozent der Befragten gaben an, dass dieser Faktor vom Tourismus beeinflusst werde. Auch Verkehrsintensität und Umwelt würden vom Tourismus (negativ) beeinflusst, finden über die Hälfte der Befragten. 

Gute Noten – und auch das mit Verweis auf den Einfluss des Tourismus – gibt es hingegen für Fahrradwege, öffentliche Verkehrsmittel und das gastronomische Angebot. Auch zeigt die Studie, dass die Südtirolerinnen und Südtiroler mit Blick auf ihre Lebensqualität der örtlichen Versorgung oder den Freizeitmöglichkeiten durchwegs gute Noten erteilt. "Erstaunlicherweise wird aber in diesen Bereichen kaum ein Zusammenhang zwischen dem bestehenden Angebot beziehungsweise der Qualität des Angebots und dem Tourismus herstellt, obwohl dieser in vielen Fällen ganz sicher mehr als deutlich besteht", sagt Bausch.

Das Resümee

"Diese Studie sollte alle zum Nachdenken und Handeln anregen. Politiker und Politikerinnen können für verschiedene Lebensbereiche die Rahmenbedingungen zu Verbesserungen und Problemlösungen setzen. Aber ohne Mitwirken der einheimischen Bevölkerung wird es nicht gelingen, die erkannten Defizite zu beheben", ist Studienleiter Bausch überzeugt. Ein Beispiel sei der Verkehr: "Der Tourismus kann und muss hier weiter mitwirken, damit die Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und sich im Urlaub ohne Auto in der Region bewegen. Aber mindestens ebenso wichtig ist es, dass die Einheimischen mehr auf das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Den Tourismus zum alleinigen Verursacher von Staus zu machen, ist zu einfach, denn wer selbst im Stau steht, ist auch immer Mitverursacher der Verkehrsprobleme", resümiert Studienleiter Bausch. 

Landesrat Schuler: "Klein strukturiert und qualitativ hochwertig bleiben."

"Wir möchten diese Studie als Basis sehen, einige Zahlen zu vertiefen", sagte Landesrat Arnold Schuler. Es sei nämlich nicht davon auszugehen, dass "weniger Tourismus alle Probleme löst". Allerdings zeigt die Studie deutlich, dass nach Einschätzung der Befragten die Grenze der Tourismusentwicklung nahezu erreicht ist: Nur 7,4 Prozent der Studienteilnehmenden gaben an, sich eine Weiterentwicklung zu wünschen, 43,8 Prozent wünschen sich weniger, 43,3 Prozent gleich viel Tourismus. 

"Die von uns angestrebte Regulierung der Bettenanzahl geht genau in diese Richtung. Wo bereits viele Gästebetten angeboten werden, sollen die Spielräume für weitere Angebote zwar nicht völlig fehlen, aber der Rahmen wird deutlich sein. In touristisch weniger entwickelten Orten werden wir weiterhin Möglichkeiten für zusätzliche Angebote geben. Südtirols Tourismus soll aber auch in Zukunft klein strukturiert und qualitativ hochwertig bleiben“, gibt Schuler die politische Marschrichtung vor.

Studie: So wurde befragt

Für die Studie wurden zwischen April und Juli 2022 online 2096 Fragebögen gesammelt. Auf die statistisch korrekte Verteilung der Geschlechter, Sprachgruppen und Herkunft wurde geachtet, die Studie ist als repräsentativ anzusehen. Interessante Details zu den Studienteilnehmenden sind beispielsweise die Tatsachen, dass 11,3 Prozent im Tourismus arbeiten, 12,3 Prozent in Rente sind, 25,1 Prozent einen Hochschulabschluss haben und nur 4,6 Prozent über kein eigenes Auto verfügen.


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LPA/uli