Archivale des Monats

Der 70. Geburtstag von Bozens Bürgermeister Julius Perathoner am 28. Februar 1919

Nachlass Franz Sylvester und Joseph Weber, Nr. 8

Als Julius Perathoner 1895 das Bürgermeisteramt von Bozen antrat, hatte die Stadt eine längere Phase der Stagnation hinter sich. Von einem durch seine internationalen Messen im 18. Jahrhundert noch florierenden und wohlhabenden Handelsplatz war Bozen durch die Krisen nach den napoleonischen Kriegen zu einer stagnierenden Provinzstadt heruntergekommen. Dies zeigte sich nicht zuletzt im Stadtbild, das sich im Laufe des 19. Jahrhunderts nur wenig veränderte. Noch immer war die Stadt eine der flächenmäßig kleinsten Gemeinden Tirols, im Osten wurde sie von der deutlich größeren Gemeinde Zwölfmalgreien, im Westen von der Gemeinde Gries umfasst und in ihrer städtebaulichen Entwicklung ausgebremst. Mit Julius Perathoner (1849–1926) wurde 1895 ein dynamischer Mann an die Spitze der Bozner Bürgerschaft gewählt, der neben seiner Tätigkeit als Gemeindeoberhaupt von 1901 bis 1911 zugleich Reichsratsabgeordneter und zwischen 1902 und 1907 Mitglied des Tiroler Landtags sowie Mitbegründer der Deutschnationalen Landespartei war. In den siebenundzwanzig Jahren seiner Zeit als Bürgermeister konnte Perathoner Bau- und Infrastrukturvorhaben in einem bis dahin nicht gekannten Umfang umsetzen und so dem Bozen der Belle époque eine zweite Blütezeit verschaffen. Perathoners erstes größeres Projekt war die in Zusammenarbeit mit Meran erfolgte Gründung der Etschwerke (1897), um die Stadt selbst und die geplanten neuen Seil-, Zahnrad-, Straßen- und Eisenbahnen mit elektrischer Energie zu versorgen. In den folgenden Jahren konnten die Rittnerbahn (1907), die Seilbahn nach Kohlern (1908), die Standseilbahnen auf den Virgl (1907) und nach Guntschna (1912) und eine Straßenbahn (1907) ihren Betrieb aufnehmen, 1911 wurde die Überetscherbahn (1898 in Betrieb genommen) elektrifiziert. Auf den unbebauten Flächen im Westen der Altstadt entstanden neue Straßenzüge mit historistischen Häuserfassaden, so etwa die Sparkassenstraße (1898); neue Schulen wurden errichtet, z. B. die Kaiser-Franz-Joseph-Volks- und Bürgerschule (1908, jetzt Goetheschule) und die Kaiserin-Elisabeth-Schule (1911, heute Danteschule); eine eiserne Brücke über die Talfer verbindet seit 1900 Bozen mit Gries, die Bozner Wassermauer entlang der Talfer wurde zu einer Promenade ausgebaut (1905), 1913 öffnete das gemeindeeigene Stadthotel am Waltherplatz seine Tore, ein neues Rathaus (1907) verkörperte das neue Selbstbewusstsein der Stadt, ein Stadtmuseum (1907) und ein neues Stadttheater (1918) taten den kulturellen Ansprüchen Genüge. 1911 erreichte Perathoner den Zusammenschluss der Gemeinden Bozen und Zwölfmalgreien, was gänzlich andere städtebauliche Perspektiven eröffnete. Die Bürger Bozens wussten all diese Neuerungen zu schätzen und wollten ihrem Bürgermeister, der die Stadt nicht nur zu neuer Blüte gebracht, sondern sie auch durch schwierige Kriegs- und Krisenzeiten geführt hatte, danken: Zum 70. Geburtstag von Julius Perathoner am 28. Februar 1919 sollte ein großer Festakt im Stadttheater stattfinden. Doch just auf jenem Tag hatten die italienischen Besatzungsbehörden im Theater ein Benefizkonzert angesetzt, weshalb die Feier für Perathoner, der im Übrigen nie ein Hehl aus seiner Ablehnung der Besetzung Südtirols durch Italien gemacht hatte, um einige Tag vorgezogen werden musste. Die Schüler des Bozner Musikvereins huldigten dem Bürgermeister, der auch Obmann des Bozner Männergesangvereins war, daher bereits am Montag, den 24. Februar, mit dem Krippenspiel „Bübchens Weihnachtstraum“. Im Anschluss rezitierten Kinder ein kurzes Schauspiel des Gymnasiallehrers Franz Sylvester Weber (1876–1947). Das „Huldigungsnachspiel“ trug den Titel „Das siebzigste Wiegenfest“ und endete mit einem Gedicht Webers, dessen Entwurf in seinem Nachlass erhalten ist. Das Gedicht spielt auf die Verschönerung und Erweiterung Bozens durch Perathoners unermüdliche Tätigkeit an und dankt dem Bürgermeister im Namen aller Bürger. Die Rezitation des Gedichtes fand großen Anklang, das „Tiroler Volksblatt“ berichtete dazu am 26. Februar: „Ein Sturm durchtobte das ganze Haus, als der Glückwunsch unter Ueberreichung eines herrlichen Lorbeerkranzes und unter Blumenwerfen in ein ‚Hoch‘ auf Dr. Perathoner ausklang, dem sich alle Anwesenden begeistert anschlossen. Tief gerührt dankte der Herr Bürgermeister den Kindern und dem Publikum, das mit erhebenden Gefühlen noch lange des schönen Abends gedenken wird.“ Doch bereits in den ersten Monaten der italienischen Militärverwaltung zeichnete sich ab, dass sich die Ära Perathoner ihrem Ende zuneigen würde; der Chef der Besatzungsbehörde, General Pecori Giraldi, erwog zunächst auch dessen Absetzung, beließ ihn aber vorerst im Amt. Erst zwei Jahre später wurde Perathoner im Zuge der „Machtergreifung“ der Faschisten im Oktober 1922 abgesetzt und durch einen Podestà ersetzt. Damit begann für die Stadt Bozen eine neue Phase der Umgestaltung und Vergrößerung, die das städtische Gefüge nachhaltig verändern und prägen sollte.

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