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Frauen in großen Betrieben: Noch immer Nachteile

LPA - In den großen Betrieben Südtirols ist ein Drittel der Beschäftigten weiblich. Ihre Entlohnung hinkt hinter jener der Männer her. Unterrepräsentiert sind die Frauen nach wie vor an der Spitze; bei den unbefristeten Verträgen, Teilzeit-Arbeitsverhältnissen und Warteständen sind sie hingegen führend. Das geht aus dem Bericht über die Beschäftigung in Südtirols Großbetrieben hervor, der heute (13. Juni) in Bozen vorgestellt wurde.

LR Bizzo, Gleichstellungsrätin Wasserer und Forscherin Vogliotti bei der heutigen Vorstellung des Berichts über die Beschäftigung in den großen Betrieben

Zum zweiten Mal hat das Arbeitsförderungsinstitut AFI die Beschäftigungslage in Südtirols Großbetrieben nach Geschlechtern genauer unter die Lupe genommen. Der zweite Bericht über die männliche und weibliche Beschäftigung in Betrieben mit mehr als hundert Beschäftigten im Zweijahreszeitraum 2010/11 wurde heute von der Verfasserin Silvia Vogliotti gemeinsam mit Landesrat Roberto Bizzo, Gleichstellungsrätin Simone Wasserer und Abteilungsdirektor Helmuth Sinn vorgestellt.

Dem neuen Bericht liegen die Daten von 134 Betrieben zugrunde. Zur Übermittlung der Daten im Zweijahresrhythmus an die Gleichstellungsrätin sind die Großbetriebe verpflichtet. Diese dank einer neuen Software erstmals digital übermittelten Daten wurden vom Arbeitsförderungsinistitut (AFI- IPL) ausgewertet. Nach den Worten von Landesrat Roberto Bizzo sei es äußerst wichtig, die arbeitsrechtliche Situation der Frauen auch in der Privatwirtschaft kontinuierlich zu beobachen: "Nur so können wir politische Maßnahmen gezielt setzen." Der Landesrat erinnerte daran, dass die Landesregierung beispielsweise mit dem Finanzgesetz 2012 auf der Grundlage der Vorjahresstudie die Dienstleistungsgutscheine für die Vereinbarkeit Familie und Beruf eingeführt habe. Die Daten der Gleichstellungsrätin machten es möglich, die Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen zur Chancengleichheit zu überprüfen, so der Landesrat, der zudem eine stärkere Beteiligung der Männer an Erziehung und Pflege forderte: "Eine Maßnahme, die nichts kostet und bereichert."

Betroffen von den vorliegenden Daten zeigte sich Gleichstellungsrätin Simone Wasserer: "Die Studie spiegelt unsere Realität wider: Immer noch erhalten eher Männer als Frauen einen unbefristeten Arbeitsvertrag, immer noch gibt es Lohnunterschiede; auch die Arbeitsverteilung ist immer noch sehr stereotyp mit nur 6,2 Prozent der Frauen, die es in den großen Südtirolern Betrieben an die Spitze schaffen." Ein Vorwärtstrend in Richtung Chancengleichheit am Arbeitsplatz sei nur schwer erkennbar, vielmehr schleiche sich eine erschreckende Stagnation ein, so Wasserer.

Silvia Vogliotti ging auf die Daten und Zahlen im Detail ein: Demnach arbeiteten in den 134 Unternehmen zum Jahresende 2011 34.095 Personen, davon 11.431 Frauen (33,5%). Als bemerkenswert bezeichnete Vigliotti die so genannte horizontale Segregation, also den besonders hohen Anteil von Frauen in bestimmten Branchen, beispielsweise im Bildungswesen (66,4%), im privaten Gesundheits- und Sozialwesen (60,9%), im Gastgewerbe (54,3%), und den geringen Frauenanteil in der Metallverarbeitung (14,7%) und im Bauwesen (9,9%). Hoch blieb die so genannte vertikale Segregation, also der geringe Frauenanteil an höheren Führungspositionen: Unter den höheren Führungskräften waren lediglich 6,2 Prozent Frauen, bei den mittleren Führungskräften 18 Prozent. "In keiner Branche entspricht der Anteil der Frauen in Führungspositionen dem Anteil an beschäftigten Frauen", so Vogliotti.

Ungleichgewicht gab es auch bei den unbefristeten (75% der Frauen gegenüber 81% der Männer) und den befristeten Arbeitsverträgen (17,7% der Frauen gegenüber 9,6% der Männer). In Teilzeit arbeiten 27 Prozent der beschäftigten Frauen. Typisch weiblich bleibt der Wartestand, der zu 64,4 Prozent von Frauen beansprucht wurde, beschränkt man sich auf den Elternurlaub so waren es gar 98,5 Prozent.

Augenscheinlich bleibt das geschlechterspezifische Lohngefälle, nämlich der Unterschied zwischen der Entlohnung von Männern und Frauen in gleichen Positionen. Er beläuft sich durchschnittlich auf 28,1 Prozent bei Vollzeiterwerbstätigen. Bei den Angestellten beträgt das geschlechterspezifische Lohngefälle 33 Prozent, bei den Arbeitern 25, bei den mittleren Führungskräften 15 und bei den höheren Führungskräften 21 Prozent. "Wenn Frauen mehr verdienen würden, wären immer mehr Frauen bereit, außer Haus zu arbeiten. Dies hätte zur Folge, dass sie Sozialabgaben und Steuern bezahlten und neue Arbeitsplätze im Bereich der Dienstleistungen für Betreuung und Haushalt entstünden", gab Vogliotti zu bedenken.

Betont wurde heute auch, dass Teilzeitarbeit nicht die einzige Lösung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein dürfe, da sie eine Wiederholung des herkömmlichen Modells der Rollenaufteilung in der Familie darstelle und sich auf die Karriere, die aktuellen Einkünfte und zukünftigen Ruhestandsbezüge der Frauen auswirke.

jw

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