Archivale des Monats
Was die Sterne sagen – Das Horoskop des Kaspar Künigl (1532)
Nach dem der khrebs in des khnaben gepurtt am himel ist vber sich gestigen … Unter dem Begriff Horoskop (von altgriechisch hora skopein = Stunden-Schauen) versteht man die Aufzeichnung und Deutung der Planetenkonstellation zu einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. bei der Geburt einer Person.
Die Astrologie, wie wir sie heute verstehen, entwickelte sich in Mesopotamien, wo sich vermutlich bereits im zweiten vorchristlichen Jahrtausend Priester systematisch mit der Deutung von Sternen und Planeten befassten, um den Willen der Götter zu entschlüsseln und in die Zukunft zu sehen.
Im fünften vorchristlichen Jahrhundert entstanden die zwölf Tierkreiszeichen, indem die Astrologen die Bahn der Sonne im Jahreskreis in zwölf Abschnitte unterteilten. Von Babylon verbreitete sich die Astrologie im griechisch-hellenistischen Mittelmeerraum und wurde schließlich von den Römern übernommen. Das aufstrebende Christentum bekämpfte lediglich einige ihrer Facetten: Während die allgemeine Sternenkunde bzw. die Lehre von den Planeten als Lesen der Zeichen Gottes Zuspruch fand, wurde die Geburtshoroskopie als Aberglaube abgelehnt.
An der Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend, verstärkt aber ab dem zwölften Jahrhundert erhielt die Astrologie in Europa neuen Auftrieb, in erster Linie durch die Berührung mit der islamischen Welt, in der die Sternenkunde stets eine wichtige Rolle gespielt hatte. Besondere Bedeutung aber gewann sie in Europa in der Renaissance: Astrologie wurde nun an vielen Universitäten gelehrt, über den Buchdruck fanden Lehrbücher mit Anweisungen zu astrologischen Berechnungen und Deutungsmethoden, aber auch Weissagungen berühmter Astrologen weitere Verbreitung. In dieser Zeit spielte die Astrologie als „Vorhersage“ von politischen oder welthistorischen Ereignissen eine zentrale Rolle. Die Reformation Martin Luthers, Seuchen, Kriege oder auch die wachsende Bedrohung durch die Türken verunsicherten die Menschen und machten sie empfänglich für verschiedenste Prophezeiungen. Endzeitstimmung machte sich breit, angeheizt durch Prognosen, die massenhaft durch Flugblätter verbreitet wurden. Wenn nun Herrscher und Fürsten Hofastrologen hielten, scheint es nur folgerichtig, wenn auch ein Adliger sich für private Prognosen an einen Astrologen wandte, um Aufschluss über sein Schicksal oder das seiner Kinder zu erhalten. Die Befragung der Sterne betrachtete man nicht als einen Widerspruch zur christlichen Lehre, galten ja auch Konstellationen von Himmelskörpern als nach dem Willen Gottes geformt. Man versteht die Gründe für die Erstellung eines Geburtshoroskopes für ein Kind umso mehr, wenn man die außerordentlich hohe Kindersterblichkeit jener Zeit bedenkt. Kaspar II. Künigl (1481–1541), in zweiter Ehe mit Barbara von Welsperg verheiratet, traf es besonders hart: Drei seiner vier Söhne starben jung und kinderlos, sodass der jüngste Sohn, Bernhard, nach dem Tod seiner Brüder seinen geistlichen Stand verlassen und heiraten musste, um den Fortbestand des Geschlechts zu sichern. Sein 1527 geborener Bruder Kaspar (III.), dem 1532 in einem Horoskop wichtige Etappen seines Lebens geweissagt worden waren – etwa seine Heirat mit einer edlen Jungfrau, eine große Kinderschar, berufliche Chancen, Krankheiten und ein glückliches Leben, das laut Berechnung des Astrologen 54 Jahre dauern sollte – starb 1548 mit nur 21 Jahren. Er hatte nicht geheiratet und keine Kinder gezeugt. Die Prophezeiungen des Horoskopes hatten sich nicht erfüllt.
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MP