Archivale des Monats

Lire anstelle von Kronen – Schwierigkeiten der Währungsumstellung 1919

Archiv der Etschwerke, A.III.4.20

Mit welchen Schwierigkeiten die Bevölkerung und speziell auch Wirtschaftstreibende in Südtirol – und auch den restlichen, nach dem Waffenstillstand vom November 1918 an das Königreich Italien angegliederten österreichisch-ungarischen Gebieten – in den ersten Monaten nach Kriegsende zu kämpfen hatten, lassen einige Rundschreiben aus dem Archiv der Etschwerke erahnen. Mit Zirkulare vom 11. März 1919 informierte die Direktion der Etschwerke in Meran ihre Kassenstellen, dass das Zivilkommissariat von Meran die 200-, 25- und 20-Kronennoten zweiter Emission außer Kraft setzen werde und diese somit nicht mehr anzunehmen seien. Zehn Tage darauf machte sie in einem weiteren Rundschreiben erneut darauf aufmerksam, dass nach einer Verfügung des italienischen Heereskommandos alle abgestempelten Geldnoten der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie in den besetzten Gebieten (i. e. Trentino, Südtirol usw.) keine Gültigkeit mehr hätten. Zu Kriegsende war die Monarchie in eine Reihe sogenannter Nachfolgestaaten zerfallen, die aber für kurze Zeit noch eine Währungsunion gebildet und die Krone als Zahlungsmittel beibehalten bzw. diese lediglich neu gedruckt oder bestempelt hatten. In Deutschösterreich konnten die kriegsbedingten Verluste nicht durch eine Erhöhung von Steuern ausgeglichen werden, der massive Druck von Papiergeld andererseits führte zu einer enormen Entwertung. Vermutlich fürchtete Italien kurz vor dem geplanten Umtausch von Kronen in Lire eine Flutung des Geldmarktes mit Kronen, denn nach dem Währungswechsel in den besetzten Gebieten wurde Anfang Mai die Einfuhr österreichischer Banknoten wieder erlaubt. Aber auch die zahlreichen gefälschten Geldnoten, die in dieser Übergangszeit in Umlauf waren, haben wohl zu dem Verbot der neu gestempelten Kronen beigetragen. Der endgültige Umtausch von vor dem 27. Oktober 1918 gedruckten Kronen erfolgte zwischen dem 10. und dem 19. April 1919 bei den dazu ermächtigten Banken. Ab dem 20. April war die Krone in Südtirol somit außer Kraft gesetzt. Doch in den fünfeinhalb Monaten zwischen dem Waffenstillstand und der Abschaffung der Krone waren beide Währungen parallel gesetzliches Zahlungsmittel und zwar in dem vom italienischen Heereskommando im November festgelegten Wechselkurs von 1 Krone = 0,40 Lire (erst im November 1919 wurde der Kurs auf 1 Krone = 0,60 Lire festgesetzt). Dies bedeutete nicht nur einen erheblichen Wertverlust der Krone und damit eine massive Entwertung von Sparguthaben, sondern führte auch zu umfangreichen Abschreibungen bei Gläubigern. Hinzu kam eine akute Bargeldknappheit, da die Einfuhr von Papiergeld von jenseits der Waffenstillstandslinie untersagt war. Bereits ab Ende Jänner 1919 sah sich die Direktion der Etschwerke daher gezwungen, ihren Angestellten und Arbeitern die Löhne je zur Hälfte in Kronen und in Lire auszuzahlen, zumal die Einnahmen des Betriebes bereits zu einem großen Teil in Lire erfolgten. Zugleich sicherte die Direktion den Angestellten und Arbeitern zu, einen Ausgleich zu zahlen, sollte die Lira an Kaufkraft verlieren. Die Monate nach dem Kriegsende waren für viele Lohnabhängige eine schwierige Zeit, da viele Gebrauchsgüter und namentlich Lebensmittel sich weiter verteuerten. Die Etschwerke reagierten im Februar 1919 mit der Zahlung einer Kriegsteuerungszulage. Zur Wertminderung kamen außerdem die hohen Verluste durch die mittlerweile wertlosen österreichischen Kriegsanleihen. Diese katastrophale finanzielle Situation traf gerade Lohnabhängige hart, da die Löhne enorm an Kaufkraft verloren. Die Etschwerke versuchten die Wertminderung des Geldes dadurch aufzufangen, dass sie einem Teil ihrer Angestellten das pensionsversicherungspflichtige Einkommen al pari von Kronen in Lire umrechneten. Im Rundschreiben vom 9. August 1919, in dem die Direktion diese Maßnahme den Angestellten mitteilt, wird allerdings wie selbstverständlich darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme nicht für weibliche Angestellten gelte, die ihre Bezüge weiter im Verhältnis 1 Krone = 0,40 Lire ausbezahlt bekommen sollten. Zehn Tage später folgte ein neuerliches Rundschreiben, wo den verschiedenen Betriebsstellen und Straßenbahnen zur Kenntnis gebracht wurde, dass ab 30. August 1919 die 20-Heller- und 20-Fillér-Münzen, die im Gegensatz zum Papiergeld noch zirkulierten, endgültig außer Kraft gesetzt würden und somit nicht mehr angenommen werden durften. Mit Ende Oktober verloren auch die 10-, 2- und 1-Hellerstücke ihre Gültigkeit. Damit war die Umstellung auf italienische Lire in Südtirol ein Jahr nach Kriegsende vollzogen.

ep

PT

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