Archivale des Monats

Neue Schulen für das Land

Südtirols turbulente Schulgeschichte, der Ausbau des Schulnetzes und der Weg zur eigenständigen Gestaltung von Südtirols Schulwesen durch das Zweite Autonomiestatut

Das wissenschaftliche Lyzeum „J. P. Fallmerayer“ in Brixen nach der Fertigstellung 1975 (Archiv Othmar Barth, Nr. 1343/7)

Südtirols Schule in Zeiten totalitärer Regime 

In den ersten Jahren nach dem Übergang Südtirols an Italien blieb das österreichische Schulsystem vorerst weiter aufrecht. Bald nach der Machtübernahme Mussolinis aber wurde der Unterricht in deutscher Sprache verboten, einheimisches Lehrpersonal entlassen oder versetzt. In sog. Katakombenschulen versuchten Lehrkräfte unter persönlichem Risiko, Kindern in kleinen Gruppen das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache beizubringen. Ab 1939 organisierten die lokalen nationalsozialistischen Behörden „deutsche Sprachkurse“ für Kinder von Optanten, die nach der Besetzung Italiens durch die Wehrmacht im September 1943 zu einer regulären deutschen Schule erweitert wurden.


Wiederaufbau der Schule in Südtirol nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Südtiroler Schule völlig neu aufgebaut werden. Trotz Misstrauens von Regierungsseite gelang es dem ad interim eingesetzten Vizeschulamtsleiter („viceprovveditore“) Josef Ferrari, schon im Herbst 1945 die Zusicherung von muttersprachlichem Unterricht durch Muttersprachler/innen zu erhalten, was durch das Pariser Abkommen 1946 rechtlich verankert wurde. Zunächst mangelte es aber an Lehrkräften und geeigneten Räumlichkeiten. Fliegerbomben hatten in Bozen viel Infrastruktur zerstört, aber auch in zahlreichen Dörfern waren Schulgebäude unbenutzbar oder gar nicht vorhanden, kurzfristig konnten oft nur schlecht beheizte, zu dunkle oder zu kleine Schulräume zur Verfügung gestellt werden.


Fehlende Durchführungsbestimmungen

Das Erste Autonomiestatut von 1948 brachte der Provinz Bozen die primäre Gesetzgebungskompetenz im Bereich Fortbildung und Berufsvorbildung und die sekundäre Zuständigkeit für den Bereich Volks- und Sekundarschule. Aufgrund fehlender Durchführungsbestimmungen blieb das Schulwesen aber de facto weiterhin unter staatlicher Kontrolle, eine autonome Handhabe der Südtiroler Schule lag in weiter Ferne. Dagegen besserte sich die Raumsituation in den 1950er Jahren allmählich, da das Staatsbauamt Kriegsschäden beseitigen bzw. neue Schulen errichten ließ.

Die neue Mittelschule

Das Festhalten am hergebrachten Volksschulsystem hatte namentlich in den deutsch und ladinisch geprägten ländlichen Gebieten zu einem niedrigen Bildungsniveau geführt; erst die 1963/64 greifende Mittelschulreform schaffte hier Abhilfe. Doch weckte die Einrichtung von Mittelschulen in den größeren Ortschaften wiederum einen erhöhten Bedarf an entsprechend ausgebildeten Lehrkräfte, an Schülerbeförderungsdiensten und/oder Schülerheimen und vor allem an neuen, funktionalen Schulgebäuden, die ab Mitte der 1960er Jahre errichtet wurden.


„Schule zum Land“

Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts wurden der Provinz Bozen im Bereich des Schulwesens erheblich mehr Zuständigkeiten eingeräumt: primäre Gesetzgebung bei Schulbau, Schulfürsorge und Berufsertüchtigung, sekundäre Gesetzgebung im Bereich des Unterrichts und der Lehrpläne sowie weitreichende Kompetenzen bei der Verwaltung der Schulämter. Das Lehrpersonal verblieb dagegen beim Staat, einige Bereiche wurden von Staat und Land gemeinsam verwaltet. Bereits im Jänner 1973 wurde das Schulwesen der Provinz Bozen gesetzlich neu geregelt, im November desselben Jahres die Berufsausbildung und -ertüchtigung sowie die Schulfürsorge und der Schulbau. 1975 wurden schließlich die drei Landesschulämter errichtet.


Schulautonomie

Ein weiterer Meilenstein war die 1996 von der Regierung in Rom im Zuge einer großangelegten Dezentralisierung beschlossene Delegierung zahlreicher weiterer Kompetenzen, etwa bei der Errichtung von Schulen, der Abänderung von Lehrplänen oder der Lehrerfortbildung sowie – als wichtigster Punkt – die Übernahme des Lehrpersonals. Durch das Landesgesetz Nr. 12/2000 erhielten die Schulen selbst einen autonomen rechtlichen Status, Schulsprengel wurden umgebaut, neue Unterrichtsformen eingeführt. Das Schulwesen ist und bleibt in Bewegung.

ep

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