Archivale des Monats
15. Jänner 1917 – Kaiser Karl I. in Bozen
Sammlung Helene Oberleiter, Nr. 199
Erzherzog Karl Franz Joseph, der als Karl I. der letzte österreichische Kaiser sein sollte, wurde 1887 als Sohn von Erzherzog Otto und Prinzessin Maria Josepha von Sachsen geboren. 1911 ehelichte er Zita von Bourbon-Parma aus dem nicht (mehr) regierenden Haus der Herzöge von Parma. Als Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo einem Attentat zum Opfer fiel, rückte Karl als dessen Neffe in der Thronfolge nach (Franz Ferdinands Kinder waren aufgrund von dessen morganatischer Ehe mit Sophie Gräfin Chotek davon ausgeschlossen) und wurde nach dem Hinscheiden Franz Josephs I. (21. November 1916) als Karl I. zum österreichischen Kaiser und apostolischen König von Ungarn. Anfang Dezember 1916 übernahm er den Oberbefehl über die Armee, griff auch persönlich in die Kriegsführung ein und reiste häufig an die Front. So auch im Jänner 1917, als er auf dem Weg an die Südwestfront kurze Zeit in Bozen Halt machte. Karl erreichte die tief verschneite Stadt, wo das Heeresgruppenkommando von Feldmarschall Erzherzog Eugen seinen Sitz hatte, am 15. Jänner. Am Bozner Bahnhof wurde er von Eugen, von General Josef Roth und Feldmarschallleutnant Ludwig Goiginger sowie einer großen Menschenmenge empfangen. Darunter befand sich laut zeitgenössischen Zeitungsberichten auch ein Grödner Hochzeitszug, „der in den überaus malerischen und zugleich sehr wertvollen Trachten die besondere Aufmerksamkeit und das sichtliche Wohlgefallen des Kaisers auf sich zog“ (im Bild spricht der Kaiser vermutlich mit Mitgliedern einer Schützenkompanie vom Schlernplateau).
Nach einer Besprechung zur militärischen Lage mit Erzherzog Eugen, reiste der Kaiser am Nachmittag weiter nach Trient, wo er auf der Piazza d’Armi (heute Piazza Venezia) ein Regiment inspizierte. An den folgenden Tag besuchte der Kaiser die Hochfläche von Folgaria (Vielgereuth) und die Val Sugana, bevor er zurück nach Trient und von dort nach Innsbruck reiste.
Der 15. Jänner 1917 war für viele Bozner und einige Grödner vermutlich ein denkwürdiger Tag. Im folgenden Jahr besuchte der junge Kaiser zusammen mit seiner Gattin ein letztes Mal die Stadt Bozen – ein halbes Jahr später war der Krieg verloren und das Habsburgerreich zerfiel. Am 11. November 1918 unterschrieb der Kaiser die Verzichtserklärung auf allen Anteil an den Regierungsgeschäften. Nach einem missglückten Restaurationsversuch wurden Karl und Zita auf die portugiesische Insel Madeira verbannt, wo Karl am 1. April 1922 an den Folgen einer Lungenentzündung starb.
ep
PT