Archivale des Monats

Gefrorener Champagner, zerbrochene Flaschen – Ein Verlustgeschäft für einen Bozner Kaufmann

Archiv des Merkantilmagistrats Bozen, Nr. 3.2.70/34_1

Am 1. Februar 1775 begab sich der Bozner Kaufmann Joseph Gumer, Mitglied einer der wirtschaftlich erfolgreichsten und einflussreichsten Familien der Talferstadt, zum Merkantilmagistrat, um dem Handelsgericht einen Vorfall anzuzeigen, durch den er vermutlich eine größere Summe Geld verloren hatte. Eine Lieferung von eintausend Flaschen französischen Schaumweins waren in den ersten Wochen des Jahres 1775 auf dem Weg nach Bozen, um dort verkauft oder weitertransportiert zu werden. Wegen dato eingefallener sehr grosser Kälte gefror der Champagner aber zu Eis – Schaumwein gefriert bereits ab einer Temperatur von –5° C – und zahlreiche Flaschen barsten. Champagner wurde ab 1728 in Flaschen und nicht mehr in Fässern exportiert und gewann im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend an Beliebtheit. Nach einem Attest des Grenzbeamten in Reutte wurden am 26. Jänner 1775 in den zwanzig Kisten in der Tat zahlreiche geborstene Flaschen sowie Brocken des gefrorenen Champagners festgestellt. Als der Fuhrmann Bozen erreichte, waren in den zwanzig Kisten insgesamt 145 Flaschen zerbrochen, auch hatte der Schaumwein offenbar an Geschmack eingebüßt. Am Abend des 3. Februar bestätigten der Aktuar des Merkantilmagistrats, Giuseppe Serafino Bruni, und ein Amtsdiener nach einem Lokalaugenschein den Sachverhalt. Ob der Bozner Kaufmann die Flaschen abschreiben musste oder der Fuhrmann beziehungsweise die Kellerei für den Schaden hafteten, wissen wir nicht. Doch wirft dieser Vorfall ein Licht auf Handelsrouten, auf transportierte Waren und auf Transportprobleme. Bozen war seit dem Messeprivileg Erzherzogin Claudias von 1635 eine florierende Handelsstadt geworden und die viermal jährlich stattfindenden Messen dienten als Drehscheibe für den Handel mit allerlei Waren, vor allem mit Wein und Tuchen. Entstand zwischen Kaufleuten ein Streit, wurde dieser vor das paritätisch aus deutschen und italienischen Kaufleuten zusammengesetzte Merkantilgericht gebracht, das zügig und fachkundig entscheiden konnte. Prozessakten zu Betrügereien, beschädigten Waren oder zahlungsunfähigen Firmen bilden einen großen Teil des Archivs des Bozner Merkantilmagistrats, des Vorläufers der 1850 gegründeten Handelskammer, und dienen als wichtige Grundlage zur Erforschung des Handels und der mitteleuropäischen Handelsbeziehungen vom 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

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