Sexualisierte Gewalt: Studie gibt Betroffenen eine Stimme
Studie macht gesellschaftliche Muster sichtbar, die sexualisierte Gewalt begünstigen – Universität Innsbruck führt Studie aus, Land fördert sie finanziell
BOZEN (LPA). Betroffene sexualisierter Gewalt schützen und unterstützen, die Ereignisse auf gesellschaftlicher Ebene aufarbeiten sowie Präventions- und Bewusstseinsarbeit: Diese Ziele verfolgt die Studie "Sexualisierte Gewalt in Südtirol unter Berücksichtigung der drei Sprachgruppen". Diese wird derzeit von der Forschungsplattform Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung der Universität Innsbruck erstellt. Am 16. Oktober wurde in Bozen von Studienleiterinnen Gundula Ludwig und Julia Ganterer sowie Forscherin Laura Volgger ein Zwischenbericht vorgestellt. Landesrätin Rosmarie Pamer ergänzte dazu die Maßnahmen, mit denen das Land Südtirol dieses Forschungsprojekt sowie die Enttabuisierung des Themas unterstützt. "Es geht darum, den Betroffenen eine Stimme zu verleihen und damit das Schweigen zu brechen", fasste Landesrätin Pamer das Anliegen zusammen.
31 Betroffene berichten über Erfahrungen sexualisierter Gewalt
Sexualisierte Gewalt, ausgeübt von (nahen) Verwandten oder Bekannten aus dem näheren Umfeld, erlebten die Betroffenen vom Kleinkind- bis ins Erwachsenenalter. Lediglich eine einzige Anzeige wurde von den 31 Interviewpartnerinnen und -partnern erstattet. "Die geringe Anzahl an Anzeigen zeigt auf, dass die Folgenlosigkeit für die Täterinnen und Täter nach wie vor hoch ist", führte Co-Studienleiterin Julia Ganterer aus.
Basierend auf den Gesprächen arbeiten die Forscherinnern daran, Strukturen auszumachen, die Gewalt ermöglichen: "Bestimmte gesellschaftliche Ungleichheiten und Machtkonstellationen begünstigen das Auftreten sexualisierter Gewalt“, hob die Leiterin der Forschungsplattform und Co-Studienleiterin Gundula Ludwig hervor. Dieses Ungleichgewicht können Täterinnen und Täter nutzen, es begünstige zudem den Umstand, dass den Betroffenen kaum Glauben geschenkt werde.
"Wir leiten aus den Gesprächen ab, dass es eine große Normalisierung von Gewalt in Südtirol gibt“, unterstrich Ludwig. Die Gespräche hätten gezeigt, dass sich viele Betroffene allein gelassen fühlen, darum gelte es das Bewusstsein und den Schutz weiter zu erhöhen: "Es braucht institutionelle Änderungen, damit Betroffene schneller und effektiver Schutz und Unterstützung erhalten", hielt Forscherin Laura Volgger fest. Betroffene äußerten in den Gesprächen zudem, dass Politik und Institutionen ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssten, berichtete Volgger.
Die Studie sei ein wichtiger Teil der Maßnahmen, mit denen das Land Südtirol sexualisierte Gewalt und dessen Aufarbeitung thematisieren und angehen möchte, hielt Landesrätin Rosmarie Pamer fest. Gearbeitet werde derzeit am rechtlichen Rahmen, um möglichst zeitnah eine Ombudsstelle für Fragen sexualisierter Gewalt im Haus der Ombudsstellen beim Landtag einzurichten. Mit der neuen Ombudsstelle solle eine unabhängige und dauerhafte Struktur, die Betroffenen zuhört und begleitet, geschaffen werden, hob die Landesrätin hervor. Gemeinsam mit dem Betroffenenrat und dem wissenschaftlichen Beirat, die in einem Gesetzentwurf bereits vorgesehen seien (LPA hat berichtet) werde damit ein starkes Dreieck aus Schutz, Mitsprache und Wissen geschaffen, sagte Pamer.
ck