Wie Kinder eine Trennung erleben

 

Wie ein Kind auf die Trennung seiner Eltern reagiert, hängt stark von seinem Alter, seinem Charakter, der Familiensituation und vor allem dem Verhalten der Eltern in der Trennungssituation ab.

Langzeituntersuchungen zeigen, dass mehr als drei Viertel aller Kinder einige Zeit nach der Trennung ihrer Eltern nur wenige ernste Probleme zeigen. Und: Schwierigkeiten, die der Trennung angelastet werden, sind in Konflikt beladenen Beziehungen häufig schon lange vorher sichtbar. Dennoch liegt es auf der Hand, dass eine Trennung auch für jedes Kind ein schmerzhafter Prozess ist.

Deshalb braucht es in dieser Zeit besondere Zuwendung und Aufmerksamkeit. Da die Reaktionen und Bedürfnisse von Kindern in Trennungssituationen stark altersabhängig sind, ist es wichtig, sich dabei die jeweilige Entwicklungsphase des Kindes vor Augen zu führen.

 

Kinder bis drei Jahre

Je stärker die Abhängigkeit der Kinder von den Eltern ist, desto größer sind die Verlustängste, die Trennungen auslösen. Kleinkinder reagieren in solchen Situationen oft am heftigsten, weil sie große Angst davor haben, im Stich gelassen zu werden. Sie brauchen besonders verlässliche und gleichbleibende Bezugspersonen, um ein Gefühl der Sicherheit und die eigene Identität entwickeln zu können. Auch kann ihnen die Trennung noch nicht oder schwer sprachlich vermittelt werden.

Im Vordergrund sollte deshalb stehen, dass sich das Kind auch nach der Trennung sicher gebunden fühlt. Für ein Kleinkind kann es zum Beispiel unterstützender sein, wenn der Vater es jeden Tag eine Stunde in der Wohnung der Mutter besucht, statt es einmal in der Woche oder jedes zweite Wochenende zu sich zu nehmen.

 

Kinder von drei bis sechs Jahren

In diesem Alter können die Veränderungen durch die Trennung schon besser erklärt werden als im Fall von Kleinkindern. Auch können die Kinder Gefühle und Wünsche bereits besser artikulieren. Dennoch fühlen sich Kinder in diesem Alter oft selbst verlassen, wenn sich die Eltern trennen. Außerdem beziehen sie alles, was um sie herum geschieht, noch auf sich. Geht ein Elternteil weg, ist dies für sie in der Regel auch mit Schuldgefühlen und/oder Gefühlen des Ungeliebtseins verbunden. Zum Beispiel: „Ich war nicht brav und deshalb geht Papa jetzt weg.“ Typische Reaktionen darauf sind erhöhte Ängstlichkeit und Aggression, verstärktes Weinen, Trennungsängste und Selbstanschuldigungen. Manche Kinder zeigen keinerlei Reaktionen ­ das bedeutet nicht, dass sie nicht leiden, häufig wollen sie die Eltern nicht zusätzlich belasten.

Mit viel Geduld und Zuneigung und einem möglichst unbeschwerten Kontakt zu beiden Elternteilen können sich Kinder im Vorschulalter dennoch gut von den Folgen einer Trennung erholen. Neben der Mutter und dem Vater können in solchen Situationen Großeltern, Tanten und Onkel sowie andere Bezugspersonen eine wichtige Stütze sein.

 

Kinder im Grundschulalter

Auch im Grundschulalter neigen Kinder dazu, sich die Schuld für die Trennung der Eltern aufzuladen. Außerdem übernehmen sie in diesem Alter oft die Verantwortung für Konflikte der Eltern, was sehr anstrengend ist und sie komplett überfordert.  Aufzupassen ist auch darauf, das Kind nicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen den Elternteilen zu bringen.

Ein Hinweis darauf kann zum Beispiel sein, dass das Kind beiden Elternteilen versichert, dass es lieber bei ihnen bleiben würde. Es ist deshalb wichtig, den Kindern ganz klar zu signalisieren, dass sie beide Eltern lieben dürfen und von beiden Elternteilen geliebt werden.

 

Jugendliche

In diesem Alter haben Kinder weit bessere Möglichkeiten, eine Trennung zu begreifen, eine eigene Haltung dazu einzunehmen und aktiv an der Gestaltung ihres Lebens danach mitzuwirken. Oft ergreifen Jugendliche aber einseitig Partei für einen Elternteil und grenzen sich radikal vom anderen ab, was für ihre weitere Entwicklung negativ sein kann.

Jugendliche brauchen in Trennungssituationen eine klare Orientierung, da sie aufgrund ihrer eigenen Entwicklung besonders zwiespältig, irritierbar und sicherheitsbedürftig sind. Väter und Mütter sollten sich daher aktiv um eine vertrauensvolle Beziehung zu ihnen bemühen.

 


Scheidungskinder = beziehungsunfähige Erwachsene?

Die Trennung der Eltern wird von fast jedem Kind als schwere Krise erlebt. Doch führt sie zwangsläufig zu bleibenden Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten? Werden aus Trennungskindern automatisch beziehungsunfähige Erwachsene? Das hängt von verschiedenen Faktoren wie vom Alter und Charakter des Kindes oder der Unterstützung ab, die es in dieser schwierigen Phase erhält.

Zentral ist dabei, wie die Eltern ihre Trennung gestalten. Gelingt es ihnen, ihre Konflikte nach einer überschaubaren Zeit beizulegen und als Eltern nicht gegeneinander, sondern miteinander zu handeln, haben Kinder aus getrennten Beziehungen die besten Chancen, sich als Erwachsene in keiner Weise von Kindern aus intakten Familien zu unterscheiden.

Wie aus Untersuchungen hervorgeht, geht es Trennungskindern nach einer Anpassungszeit meist deutlich besser als jenen, die zu Hause eine stark konfliktbeladene Beziehung miterleben.

Vergleiche: Kinderorientierte Hilfe bei Trennung und Scheidung, Landesjugendamt Rheinland-Pfalz


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