Liebe bleibt, wenn ich jeden Tag etwas dafür tue

Interview mit Stefan Eikemann

 

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Stefan Eikemann ist Psychologe und Psychotherapeut bei der Familienberatungsstelle fabe und Koordinator des Elterntelefons.
Er ist Autor des Buches „Spielraum des Paares, Wagnis und Entwicklung in der Paartherapie“, Carl-Auer-Verlag.

 

 

 

Herr Eikemann, gehören Krisen tatsächlich zu Beziehungen dazu?

Ja, das gehören sie. Neben den täglichen Missverständnissen rechnet man damit, dass ein Paar im Schnitt alle zwei Jahre mit einer großen Krise fertig werden muss. Dabei muss es nicht immer nur um Streit zwischen den Partnern gehen; auch Probleme und Veränderungen in deren Leben wie

Verlust oder Wechsel des Arbeitsplatzes, Umzug, Krankheit und Tod im familiären Umfeld oder veränderte persönliche Wünsche und Lebensvorstellungen wirken auf die Beziehung. Das alles sind Situationen, in denen viel Gesprächsbedarf zwischen den Partnern entsteht, in denen es besonders viel Zeit, Ruhe und Vertrauen ineinander braucht. Ist das nicht da, wird es eng.

 

Wo hakt es besonders oft in Partnerschaften?

Ein Grundproblem ist sicherlich die Vorstellung, dass Liebe vom Himmel fällt und automatisch lebendig bleibt. Liebe bleibt, wenn ich jeden Tag aktiv etwas dafür tue. Doch gerade das wird für Paare vor allem schwierig, wenn sie Eltern werden.

 

Warum?

Einerseits braucht jedes Paar ein gemeinsames „Projekt“. Eine Familie zu gründen ist wohl das Projekt, das von den meisten Paaren angestrebt wird. Andererseits nimmt sie dem Paar viel Zeit und steigert die Anforderungen an beide Partner. Männer fühlen sich dann in der Regel sehr verantwortlich für das Familieneinkommen und tendieren dazu, sich im Beruf zu überlasten. Frauen wiederum nehmen viel Verantwortung für die Familie auf sich; zusätzlich werden die gesellschaftlichen und familiären Erwartungen an das Paar viel größer. Es ist wichtig, dass Eltern diesen Belastungen und diesem Druck entgegensteuern, indem sie sich bewusst Zeit für sich zu zweit nehmen. Damit sie nicht später, wenn die Kinder aus dem Haus gehen merken: Wir haben einander nichts mehr zu sagen.

 

Ist eine Beziehung zu dem Zeitpunkt bereits gescheitert? Oder anders gefragt: Gibt es  Indikatoren, wann es in einer Krise noch Hoffnung auf Rettung gibt und wann nicht?

Grundsätzlich kann eine Beziehung auch dann wieder in Schwung gebracht werden, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, das Begehren erloschen ist oder wenn viel Ungeklärtes da liegt. Vom gefühlsmäßigen Aufwand und den Erfolgsaussichten her wäre dies auch meist der sinnvollere Weg als die Trennung. Es gibt aber zwei Stolpersteine, die eine Rettung besonders schwierig machen: Wenn einer der Partner gefühlsmäßig bereits aus der Beziehung ausgestiegen ist, was sich die- oder derjenige oft selbst noch nicht eingesteht. Oder wenn einer der Partner den anderen unbedingt so haben will, wie er oder sie es sich vorstellt, und es nicht gelingt, von diesem Bild Abstand zu nehmen.

 

Wann sollten sich Paare in Krisensituationen Hilfe von außen holen?

Immer dann, wenn sich wichtige Dinge nicht „von alleine“ lösen. Oft gibt es Probleme, wichtige Anliegen oder auch mit der Zeit entstandene Wünsche, die über lange Zeit hinweg nicht besprochen und nicht geklärt werden können. Aber irgendwie kann man damit noch leben. Solche Themen, die seit mehreren Jahren in der Luft hängen und die man immer umschifft, sollten angegangen werden. Und dabei kann professionelle Hilfe gute Unterstützung liefern.